Berlin-Zur Pflege meiner regressiven Tendenzen schau ich gerne diese Sendung, in der die Champions-League läuft, aber keine Bilder gezeigt werden. Es handelt sich dabei um das degenerierte Format eines Privatsenders, Sie wissen schon. Leute wie Thomas Helmer, Peter Neururer und Giovanni Zarrella reden über ein Fußballspiel, das die Fernsehzuschauer nicht zu sehen bekommen.
Klar, das ist die billigste Form, Fernsehen zu machen. Ich habe es aber immer auch als Parodie auf dieses ganze Analysetheater verstanden, ohne das Fußball nun einmal nicht auskommt. Die Systeme, das Verschieben und Überspielen – zum genauen Verständnis des taktischen Geschehens stören die Live-Bilder nur. Wenn ein Tor fällt, schreit einer „Tor“, und Thomas Helmer erklärt den Zuschauern, was passiert ist. Warum dieses Tor fallen musste oder nicht verhindert werden konnte. Schlecht verteidigt, einer wie Helmer versteht etwas davon, und Neururer zelebriert dazu diesen Kneipen-Sarkasmus, für den allein ich gern mal wieder ins Ruhrgebiet fahren sollte. Ich war so lange nicht mehr da.
Eine Parodie auf die politische Rede
Der italienische Schriftsteller und Zeichentheoretiker Umberto Eco („Der Name der Rose“) hat das Prinzip der Sendung bereits in den 1960er-Jahren als Sportgerede bezeichnet. Als Vertreter linker Gesellschaftskritik war Sport für ihn im Allgemeinen und Fußball im Besonderen ein Herrschaftsinstrument. „Circenses halten die unkontrollierbaren Energien der Massen im Zaum. Doch dieser Sport hoch zwei (auf den bereits Spekulationen und Märkte, Börsen und Transaktionen, Verkaufsstrategien und Konsumzwänge einwirken) generiert einen Sport hoch drei, nämlich das Reden über den Sport als Spektakel.“ Dieses Reden sei in erster Instanz natürlich das Reden der Sportpresse, das seinerseits ein Reden über die Sportpresse generiert, „also einen Sport hoch ,n‘.“
Eco zog daraus nicht den Schluss, den ganzen Quatsch lieber zu meiden. Vielmehr steigerte es seine Neugier am Sportgerede, von dem er annahm, dass es eine Parodie auf die politische Rede sei. Mit einem Begriff des Sprachwissenschaftlers Roman Jakobson spricht Eco von der phatischen Rede, in der das einfach so Dahingesagte triumphiert. Es entspricht jenen Lauten, die man beim Telefonieren von sich gibt, damit der andere bemerkt, dass man noch dran ist. „Ach so.“
