Das ist dann schon ein echter Aufreger: Der DFB holt sich den größten Kritiker des deutschen Fußballs mit ins Boot. Und zwar an einer zentralen Machtposition, jenem Multitasking-Job, der nach der Trennung von Oliver Bierhoff verwaist war. Andreas Rettig hat eine Menge Ahnung, gar kein Zweifel, er war an völlig unterschiedlich strukturierten Standorten Klubmanager, diente dem basisorientierten FC St. Pauli und dem konzerngeführten Bayer 04 Leverkusen, dem notorisch unruhigen Traditionsklub 1. FC Köln und dem Biotop SC Freiburg – und vor allem: Er hat Verbandserfahrung.
Andreas Rettig und Ex-DFL-Chef Christian Seifert haben sich überworfen
Die endete bei der Deutschen Fußball-Liga vor acht Jahren allerdings im kompletten Zerwürfnis mit dem damaligen Bundesligaboss Christian Seifert. Wenn der noch da wäre, hätte der DFB die Personalie Rettig nie und nimmer platzieren können. Dann wäre der tiefe Riss zwischen DFL und DFB, den DFL-Aufsichtsrat Hans-Joachim Watzke und DFB-Präsident Bernd Neuendorf gerade erst mühevoll zugespachtelt haben, sofort wieder aufgeplatzt.
Aber auch so hat sich der vom nun hierarchisch untergebenen Verbandsmitarbeiter Rudi Völler mal als „Schweinchen Schlau“ missbilligte Rettig mit seiner Meinungsfreude, seiner Kritik an ungehemmter Kommerzialisierung, seiner Hinwendung zur Fanbasis und seiner Fähigkeit, im Geheimen Netzwerke zu flechten, eine Menge Feinde gemacht im Profifußball. Es gibt Leute, die finden, der 60-Jährige sei ein Intrigant. Uli Hoeneß schurigelte ihn neulich als „König der Scheinheiligen“. Rettig konterte und schalt Hoeneß als „Katar-Lobbyisten“.
Egal was DFB und DFL, Fifa oder Uefa zuletzt angingen – es wurde von Rettig fundamental und rhetorisch filigran zerlegt: Umgang des DFB mit der WM in Katar, Vernachlässigung der Talentförderung, Ausweitung der Champions League, Gesamtauftritt von Fifa-Boss Infantino, Vorgehen der DFL zur 50+1-Regel – laut Rettig alles Bockmist.
Und dann mussten die Mächtigen in der DFL – allen voran die Anführer, BVB-Boss Aki Watzke und Eintracht Frankfurts Vorstand Hellmann – noch mit ansehen, wie Rettig, wiewohl ohne Job und Mandat, hinter den Kulissen den geplanten Zwei-Milliarden-Deal mit einem Hedgefonds so geschickt mit List und Tücke torpedierte, dass am Ende keine ausreichende Mehrheit dafür gefunden wurde. Die Wut war groß.


