Die Überraschung kam am Nachmittag. Alexander Nübel UND Oliver Baumann sind vorerst die Nummer 1 in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Julian Nagelsmann hat für sie ein Jobsharing vorgesehen, inklusive Trikottausch. Am Freitag (20.45 Uhr/RTL) in Zenica gegen Bosnien und Herzegowina wird zunächst der Stuttgarter Nübel debütieren, am Montag in München gegen die Niederlande steht erstmals der Hoffenheimer Baumann im deutschen Tor. Beide tragen bei ihrem Einstand die prestigeträchtige „1“ auf dem Rücken, wie der DFB mitteilte.
Allerdings: Keiner der beiden Debütanten sollte sich ernsthafte Hoffnungen darauf machen, den verletzten Stammtorhüter Marc-André ter Stegen dauerhaft vertreten zu dürfen. Nagelsmann hat sich auf den Schlussmann des FC Barcelona als Nummer 1 für die WM 2026 festgelegt - und diesen Status nach dessen schwerer Knieblessur bestätigt. Einen echten „Zukunftskeeper“ mit langfristiger Perspektive als Konkurrenten für ter Stegen will er nicht aufbauen, auch deshalb das Jobsharing.
Andreas Köpke warnt
Es sagt viel über die Lage der Torhüter-Nation, dass nach dem Drama um ter Stegen sofort Rufe nach einer möglichen Rückkehr von Manuel Neuer laut wurden - der mit immerhin 38 Jahren gerade erst zurückgetreten ist. Der Weltmeister von 2014 winkte dankend ab - und warb um „Vertrauen“ für seine Erben, darunter auch Kevin Trapp und Bernd Leno.
Nübel, Baumann, der ebenfalls nominierte Janis Blaswich, Trapp, Leno - keiner aus diesem Quintett ist jünger als 28. Dahinter fehlen ganze Jahrgänge. Andreas Köpke, Europameister von 1996 und langjähriger DFB-Torwartcoach, mahnte im vergangenen Jahr, er blicke „mit großer Sorge“ auf die Zeit nach der Generation Neuer/ter Stegen. „Wir werden ein Problem kriegen“, prophezeite Köpke, „ich wüsste gerade keinen Namen, bei dem ich sagen würde, er könne in diese Fußstapfen treten.“
Der Verband hat die Notlage längst erkannt und versucht, gegenzusteuern. Er hat den früheren Bundesliga-Keeper Marc Ziegler als Torwartkoordinator angestellt, der 48-Jährige kümmert sich seit 2017 um die Juniorenteams und die Ausbildung der Torwarttrainer. Im Projekt „N28“ sucht er eine Antwort auf die Frage, wer in vier Jahren das deutsche Tor hüten soll.
Der DFB hat eine eigene „Torwart-DNA“ entwickelt, mit „zehn Genen“, die einen modernen Klassekeeper ausmachen sollen: Er soll ein guter Techniker sein, immer „online“, dabei Organisator, Persönlichkeit, Raumverteidiger und erster Offensivspieler. „Wir haben die Talente“, sagte Ziegler kürzlich, „vielleicht nicht mehr sechs Stück wie in den Topjahrgängen in der Vergangenheit, aber wir haben sie.“
Zehn deutsche Stammkeeper in der Bundesliga
Tatsächlich stehen im aktuellen Kader der U21 mit Noah Atubolu (SC Freiburg), Tjark Ernst (Hertha BSC) und Jonas Urbig (1. FC Köln) drei Torhüter, die bei ihren Klubs schon die Nummer 1 sind - das war nicht immer so. In der Zweiten Liga hüten bei 17 von 18 Vereinen Deutsche das Tor.
Im Oberhaus aber greifen nur noch zehn Klubs auf deutsche Stammkeeper zurück - vor zehn Jahren waren es noch 14. Unter den 30 wertvollsten Torhütern der Welt listet Transfermarkt.de noch einen einzigen Deutschen: ter Stegen.


