Regionalliga Nordost

Der BFC Dynamo hatte 2021 den größten Mitgliederzuwachs aller Berliner Vereine

Erfolg macht sexy: Den Fußballern aus Hohenschönhausen fehlt nur noch ein Punkt zur Meisterschaft. Und: Ist das neue Image des Klubs tragfähig?

Die BFC-Spieler Niklas Brandt, Max Klump und Andreas Pollasch bejubeln ein wichtiges Tor, das sie dem Meistertitel in der Regionalliga-Nordost näher gebracht hat.
Die BFC-Spieler Niklas Brandt, Max Klump und Andreas Pollasch bejubeln ein wichtiges Tor, das sie dem Meistertitel in der Regionalliga-Nordost näher gebracht hat.Patrick Skrzipek

Norbert Uhlig will natürlich dabei sein, wenn es passiert. Der Präsident des BFC Dynamo fährt mit zum Auswärtsspiel am Freitag bei Union Fürstenwalde (19 Uhr, Ostsport.tv). Ein Punkt fehlt seinen Fußballern noch, dann sind sie Meister der Regionalliga-Nordost. Und damit kurz vor dem Profifußball. Um den Aufstieg in die Dritte Liga müssen die Fußballer aus Hohenschönhausen noch weiterkämpfen – mit dem VfB Oldenburg aus der Regionalliga Nord Süd.

Drei Spieltage vor Schluss führt der BFC Dynamo die Tabelle mit acht Punkten an. Die Regionalliga-Meisterschaft bedeutet für den Rekordmeister der DDR-Oberliga den größten Erfolg seit dem Viertliga-Aufstieg 2014. „Ich hoffe, dass wir beim BAK-Spiel am 7. Mai vom Verband die Gratulation verkündet bekommen: Meister“, sagt Uhlig.

Sein Verein kämpft seit Jahren um sein Image. Immer ging es dabei um die Unbeliebtheit des BFC. Mal war der Klub als Schiebermeister von Stasi-Chef Erich Mielke verschrien, dann als Sammelbecken für gewaltbereite Glatzköpfe aus der rechten Szene, Rassismus, Rohheit. Anfang der 2000er-Jahre hatten kurzzeitig die Hells Angels das Sagen, frühere Hooligans bekamen wichtige Vereinspositionen. Auch die Geldgeber kamen aus der rechten Szene. Vor etwas mehr als zehn Jahren begann sich eine Bewegung im Verein zu konstituieren, die etwas anderes wollte. Ultras, die sich gegen das rechte Stigma mit Aktionen wie „Braun ist nicht Weinrot“ wehrten. Die Funktionsträger wechselten, versuchten, sich vom rechten Milieu zu distanzieren. Es wurde großer Wert auf die Jugendarbeit, das Nachwuchszentrum in Hohenschönhausen gelegt. Statt auf die Vergangenheit wollte man Richtung Zukunft schauen.

Die Gegenwart zeigt erstaunliche Ergebnisse. Vor allem in der Mitgliederentwicklung. 2021 war der BFC Dynamo berlinweit der Verein mit dem größten Mitgliederzuwachs (1. FC Union und Hertha BSC ausgenommen). Die Statistik des Landessportbundes Berlin weist den BFC mit einem Plus von 680 Mitgliedern aus (+ 51 Prozent). Bei etwas mehr als 2000 Gesamtmitgliedern ist der Zulauf enorm. Dabei, sagt Uhlig, setzten sich die Neumitglieder etwa zur Hälfte aus Erwachsenen, Unterstützern, Fans und Förderern zusammen, zur anderen Hälfte aus Nachwuchskickern.

Ein markantes Datum sei dabei die erste DFB-Pokalrunde im vorigen August gewesen. Zum Kartenvorverkauf für die Partie gegen den VfB Stuttgart kamen viele Menschen auf die Geschäftsstelle. „Der Rücklauf an Mitgliedsaufnahme-Anträgen war hoch“, sagt Uhlig. „Aber auch in der Jugend kommen viele aus anderen Vereinen zu uns.“ Offenbar sehen sie den BFC Dynamo als Alternative zum 1. FC Union oder Hertha BSC. „Durch den Erfolg unserer ersten Männermannschaft sehen viele Jugendspieler und auch deren Eltern bei uns eine Perspektive. Sie wissen: Wir müssen jetzt hier nicht weg“, meint Uhlig. Erfolg macht sexy.

Die Jugendarbeit beim BFC ist schon länger als überdurchschnittlich gut bekannt. 68 Trainer und Betreuer sind für 23 Jugendmannschaften von der U7 bis zur U19 verantwortlich, die Feriencamps ausgebucht. Im Rahmen des Kitaprojekts holen Trainer die Kinder mit Bussen aus den Kitas ab. Längst tragen viele Jugendliche das weinrote Dynamotrikot, deren Wurzeln nicht in Deutschland liegen. Im September 2021 erwies sich der BFC für den FC Berlin 23 an der Storkower Straße als Nachbarschaftshelfer – und rettete 40, 50 Kinder aus dem Verein, der vor der Auflösung stand, vor dem Aus. „Wir laden immer wieder ein, zwei, drei Jugendmannschaften mit ihren Eltern umsonst zu den Spielen unserer Regionalliga-Mannschaft ein“, sagt Uhlig. Und falls die Kinder oder ihre kleineren Geschwister keine 90 Minuten durchhalten, sei mit Wippe, Schaukel, Rutsche und Krabbelburg direkt neben dem Platz im Sportforum Abwechslung geboten.

Familien- statt Hooligan-Image, Integration statt Abschottung. Der Wandel scheint sich beim BFC langsam und vor allem in den Jugendteams zu vollziehen. Schlagzeilen wie 2005, als Polizisten vor dem Oberligaderby gegen den 1. FC Union die Disco Jeton stürmten, die damals Treff der harten Hooligan-Szene des BFC Dynamo war oder wie 2012 bei der Gewaltorgie im Pokalspiel gegen Kaiserslautern blieben aus. Dennoch beschrieb das Magazin 11 Freunde noch 2021 die „Wagenburg von Hohenschönhausen“. Im Spiel gegen die BSG Chemie Leipzig waren demnach aus BFC-Reihen Worte zu hören wie: „Zigeuner“, „Schwuchteln“ „Juden“. Wie brüchig ist das neue Image?

Der Erfolg rückt den BFC jedenfalls ins Licht. Auch die Politik schaut hin: Am Mittwochabend, sagt Uhlig, habe der Lichtenberger CDU-Abgeordnete Martin Pätzold beim Training zugeschaut. Kommende Woche sei ein Treffen mit dem Bezirk Lichtenberg zur Stadionnutzung im Fall des Drittliga-Aufstiegs geplant. „Die Zeiten sind vorbei, wo es hieß, beim BFC sind alle Nazis, Schläger, Rocker“, betont der BFC-Präsident: „Die Vergangenheit kann man nicht wegwischen. Aber sie ist Vergangenheit. Heute fühlen sich bei uns Familien wohl. Das Interesse an uns wird immer mehr.“