Union-Serie

Michael Kölmel ist für den 1. FC Union Berlin der Retter aus Leidenschaft

Kontinuierliche Arbeit hat Union bis in die Champions League geführt. Diese Protagonisten sind die Väter des Aufstiegs. Serie, Teil 1: Fans und Michael Kölmel.

Michael Kölmel hat den 1. FC Union Berlin mit einem Darlehen über 15 Millionen Mark im Januar 1998 vor dem finanziellen Aus gerettet.
Michael Kölmel hat den 1. FC Union Berlin mit einem Darlehen über 15 Millionen Mark im Januar 1998 vor dem finanziellen Aus gerettet.Volkmar Otto/Berliner Zeitung

Es gab Zeiten, in denen war es nicht einfach, Fan des 1. FC Union Berlin zu sein. Nicht Rot und Weiß schienen die Vereinsfarben zu sein, sondern dreckig und besudelt. 30 Jahre ist das nun her, als die Katastrophenmeldungen aus der Alten Försterei kein Ende nehmen wollten. Jeder, der sich auch nur ein kleines bisschen mit der Historie der Köpenicker beschäftigt, kennt diese nahezu apokalyptischen Vokabeln: gefälschte Bankbürgschaft, Lizenzentzug, massive wirtschaftliche Probleme, Gerichtsvollzieher, Ausverkauf von Spielern, drohender Bankrott.

Im heutigen Union-Erfolg darf man das Gestern nicht vergessen

Wer den Erfolgsweg der Eisernen und das Heute genießt, sollte das Gestern nicht vergessen. Es ist ein Besteigen des Gipfels von ganz unten, fast aus dem Schlamm. Einen ganz langen Anlauf hat es gebraucht, ziemlich viel Gottvertrauen, einen unerschütterlichen Glauben, vor allem auch eine riesige Portion Glück mit den richtigen Leuten an den richtigen Orten und Hebeln. Sie haben in der Bundesliga kein Tor erzielt und nicht einmal einen Pass gespielt, sie haben kein Gegentor verhindert und keinen Einwurf gemacht, aber sie alle sind, wenn man so will, die Großväter des Erfolges.

In dieser schwierigsten Phase, als die Existenz des Vereins auf dem Spiel stand, war Verlass vor allem auf die, die über viele Jahre schon das Rückgrat bilden: die Fans. Beispielhafte Aktionen wurden von ihnen organisiert. Legendär ist die Idee, das Auswärtsspiel bei Tennis Borussia im Mommsenstadion erst zur zweiten Halbzeit zu besuchen und das damit gesparte Eintrittsgeld an den Verein zu spenden. Von „Fünf Mark für Union“ bis hin zu „Bluten für Union“ haben die Anhänger immer wieder Spektakuläres auf die Beine gestellt und so den siechenden Patienten wenigstens am Atmen gehalten. Zwischen Februar 1997 und Januar 1998 nämlich schaute immer wieder das Konkursgespenst in die damaligen Geschäftsräume in der Hämmerlingstraße, das Präsidium war heillos zerstritten und die Schulden bei einem Drittligisten mit 2,56 Millionen Mark für damalige Verhältnisse astronomisch hoch.

Heiner Bertram, im Oktober 1997 als Nachfolger von Dr. Horst Kahstein Präsident geworden, ging regelrecht Klinken putzen. Der ehemalige Offizier der Bundeswehr war sich nicht zu schade, Mohamed Al-Fayed, einen ägyptischen Unternehmer, dem in London damals unter anderem das Nobelkaufhaus Harrods gehörte, einen Bittbrief zu schreiben. Der Milliardär biss nicht an, deshalb machten in der allergrößten Not erneut die Anhänger mobil. Mit ihrer „Rettet Union!“-Demonstration durchs Brandenburger Tor weckten sie das Interesse des Sportartikelriesen Nike. Die US-Amerikaner schlossen einen Sponsorenvertrag über fünf Jahre ab und pumpten das dringend erforderliche Geld zur Abwendung der Insolvenz in den Verein.

Allerdings hätte auch das nicht langfristig das Überleben gesichert. Im Januar 1998 dann das kollektive Aufatmen, als Michael Kölmel, mit seinem Unternehmen Kinowelt ein Star des damals wie verrückt boomenden Neuen Marktes, wie Erzengel Michael über der Alten Försterei erschien. Wie der Erzengel, der beim Jüngsten Gericht mit einer Posaune die Toten aus ihren Gräbern erweckt, bewahrte Kölmel den komatösen Patienten aus Köpenick vor dem Exitus. Nicht mit einem Musik-, sondern mit einem Finanzinstrument, einem Darlehen in Höhe von 15 Millionen Mark. Der Unternehmer aus Karlsruhe, inzwischen längst in Leipzig ansässig, stieg aus geschäftlichen Gründen zwar bei etlichen Fußballvereinen ein, doch beim 1. FC Union Berlin blieb sein Herz hängen. Der damals gerade 44-Jährige war Vorsitzender des Aufsichtsrates und konnte aktiv steuern, dass die Dinge nach dramatischen Turbulenzen endlich wieder in die richtigen Bahnen kamen.

Michael Kölmel bleibt beim 1. FC Union Berlin lieber im Hintergrund

Beim Saisonabschluss nach dem 1:0 gegen Werder Bremen, der Feier mit den Fans vor der Haupttribüne des Stadions, sah man ihn, den damaligen Retter, ohne den es den 1. FC Union Berlin in der jetzigen Verfassung als Nummer eins der Hauptstadt und als sensationelle Nummer vier des deutschen Fußballs nicht geben würde, unter den Feiernden. Wie meist im Hintergrund, so, als wäre er überhaupt nicht wichtig. Fast unscheinbar huschte er an der Kamera von AF-TV, dem vereinseigenen Lieferanten bewegter Bilder, vorüber, als Trainer Urs Fischer interviewt wurde. Der markante Lockenkopf aber macht ihn geradezu unverwechselbar. Oder war es doch nur sein Schatten oder ein Doppelgänger? Es wäre für ihn, der sich nicht gar so wichtig nimmt und der jemand zum Anfassen ist, irgendwie sogar typisch.