Defensiv anfällig, in der Offensive keine Ideen: Zum zweiten Mal in einem K.o.-Spiel ist der 1. FC Union nicht wie der 1. FC Union aufgetreten. Am Dienstagabend war das mit dem Viertelfinal-Aus in einem der drei Wettbewerbe verbunden. Nach dem Aus in der Europa League am 16. März gegen Saint Gilloise im Achtelfinale mussten sich die Eisernen nach einer enttäuschenden Leistung bei Eintracht Frankfurt mit einer 0:2 (0:2)-Niederlage aus dem DFB-Pokal verabschieden.
Mit einem 2:0-Sieg daheim gegen Frankfurt hatte vor der Länderspielpause die Ergebniskrise der Eisernen geendet, mit einem Sieg bei der Eintracht sollte zur frühen Abendstunde zum zweiten Mal in Folge das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht werden. Besonders für Torhüter sind solche Pokalspiele immer ganz besonders. Bieten sie, wenn reguläre Spielzeit sowie Verlängerung keine Entscheidung bringen, eine Bühne, auf der alle Augen auf sie gerichtet und sie zu Helden werden können: das Elfmeterschießen. Von so manchem Feldspieler wird es gehasst, von Favoriten durchaus gefürchtet, aber vom einen oder anderen Torwart geliebt, wenn er mit einem guten Riecher im Duell eins gegen eins vom Punkt ausgestattet ist. Vor allem den Reserve-Keepern bietet sich dabei die seltene Chance, sich zu präsentieren und ins Rampenlicht zu rücken.
Lennart Grill ersetzt erneut den verletzten Frederik Rönnow im Tor
Beim 1. FC Union hatte in Lennart Grill bereits beim 3:0-Sieg am zurückliegenden Wochenende eben dieser zweite Mann den verletzten Stammkeeper Frederik Rönnow zwischen den Pfosten vertreten ganz ordentlich gemacht. Und dennoch hätte er am Dienstagabend eigentlich wieder auf der Bank sitzen sollen. Lediglich ein negativ ausgefallener Belastungstest von Rönnow hievte Grill abermals in den Kasten und damit auf die Pokalbühne. „Der Pokal hat einen tollen Stellenwert, ist ein toller Wettbewerb, in dem du etwas gewinnen kannst“, sagte Urs Fischer vor der Partie. „Es braucht eine tolle Leistung über 90 Minuten von uns.“
Von seinen zehn Feldspielern – bei denen Josip Juronavic und Paul Seguin im Vergleich zum Spiel gegen Stuttgart Jerome Roussillon sowie Aissa Laidouni in der Startelf ersetzten – und natürlich von Lennart Grill. Ganz anders, als der sich das im Vorfeld der Partie ausgemalt haben dürfte, stand er gleich von Beginn häufiger im Mittelpunkt aller Beobachter im Stadion oder am TV. Gestattete Randal Kolo Muani dem Union-Torwart in der fünften Minute nach seinem nicht ganz platzierten Fernschuss eine schöne Flugeinlage, so düpierte der französische Nationalspieler den Berliner Schlussmann innerhalb von zwei Minuten gleich doppelt. Einen schönen Chipball, der hinter die Berliner Abwehrkette gelangte, leitete Mario Götze mit Hacke sehenswert auf Kolo Muani weiter. Mehr als die linke Schulter konnte Grill aus kurzer Distanz aber nicht mehr an den Ball bringen, war gegen diesen Schuss chancenlos (11.).

Das sah 93 Sekunden später schon ganz anders aus: Nach einem Ballverlust von Diogo Leite und dem daraus resultierenden langen Ball von Götze hatte Grill im abermaligen Duell mit Kolo Mouani nicht das richtige Timing beim Herauslaufen, legte den Rückwärtsgang ein und wurde dabei vom Frankfurter Angreifer sehenswert überlupft (13.). Schon gegen Stuttgart hatte der Torwart der Unioner in einer ähnlichen Szene fast einen Gegentreffer verursacht, aber Glück, dass dieser nach Handspiel zurückgenommen wurde.
So schlecht Grill beim zweiten Gegentor gegen Frankfurt auch ausgesehen hatte, so ungewohnt unkonzentriert und fehlerbehaftet aber präsentierten sich auch seine Vorderleute. Nach sieben sieglosen Pflichtspielen in Folge hebelte die Eintracht die Union-Defensive immer wieder aus. Die hatte in den folgenden Minuten zweimal Glück, als das vermeintliche 3:0 von Rafael Borré nach einer Abseitsstellung und Überprüfung durch den VAR aberkannt wurde und kurz darauf die Latte nach abermaligem Schuss von Borré für den bereits geschlagenen Grill rettete (28.).
Sportchef Oliver Ruhnert sieht seine Mannschaft nicht im Spiel
Defensiv überfordert, offensiv ohne Durchschlagskraft und nicht einmal bei den wenigen Standards gefährlich – so ließ sich die erste Hälfte zusammenfassen, die mehrfach für Kopfschütteln auf der Bank des 1. FC Union sorgte. Dass es nach 45 Minuten, in dem die Eintracht klar überlegen war, nur 0:2 aus Sicht der Eisernen stand, war noch das Beste am Spiel. „Wir sind mit dem 2:0 sicherlich gut bedient“, sagte Union-Sportchef Oliver Ruhnert in der Halbzeit am Mikrofon von Sky. „Wir haben relativ wenig am Spiel teilgenommen, wir geben ihnen heute die Möglichkeiten, bieten ihnen die Räume an.“
Auf den Auftritt seiner Mannschaft reagierte Fischer in der Pause mit drei Wechseln. Sven Michel, Morten Thorsby und Paul Jaeckel ersetzten das Trio Jannik Haberer, Diogo Leite und Paul Seguin. Im Verbund mit den anderen Teamkollegen machte der 1. FC Union das, was in den vorherigen zwei Bundesligaspielen so vorzüglich funktionierte und die Wende herbeiführte: ein höheres Anlaufen in der gegnerischen Hälfte. Das ließ das Spiel etwas ausgeglichener erscheinen und sorgte auch für den einen oder anderen Abschluss der Unioner gegen eine Eintracht, die in den Kontrollmodus geschaltet hatte.


