Erste Spieltage strahlen immer eine gewisse Magie aus, kommt die 1. Pokalrunde doch eher wie eine Generalprobe daher. Nach drei Monaten Langeweile endlich wieder Spannung im Dasein. Niemand weiß, ob die Spannung in Angst oder Freude münden wird. Wie beim Bleigießen wird versucht, aus dem Auftritt der Mannschaft am ersten Spieltag Voraussagen für die kommende Saison zu machen. Gerne auch kombiniert mit einem Rückblick auf vergangene Spielzeiten. Das nennt man dann statistische Vorhersagen. An denen versuche ich mich als Union-Fan und Statistik-Nerd an jedem ersten Spieltag Unions seit über 40 Jahren.
Im August vor 20 Jahren begann mit dem Spieljahr 2003/04 übrigens jene Saison, in der Union zum ersten und letzten Mal aus der Zweiten Liga abstieg. Ein Jahr später, 2005 wurden wir sogar in die Oberliga durchgereicht. Es war der letzte Abstieg der Union-Historie. Muss man sich mal vorstellen: Heute 18-Jährige haben zu Lebzeiten noch keinen Union-Abstieg erlebt. Trotzdem reden wir auch zu Beginn der Saison 2023/24 wieder von 40 Punkten gegen den Abstieg. Warum?
Erster Spieltag hat für Union eine besondere Bedeutung
Wahrscheinlich, weil alle Union-Fans über 40, von Präsident Zingler bis zu mir, wegen der sieben Abstiege zwischen 1969 und 2005 bis heute an post-traumatischem (Abstiegs-)Stress-Syndrom leiden. Bei Union kommt dem ersten Spieltag um Punkte eine besondere Bedeutung zu, denn bei jedem der sieben Abstiege hat Union am 1. Spieltag nicht gewonnen. Anders ausgedrückt: Gewinnen wir am 1. Spieltag, steigen wir nicht ab. Ich liebe Statistik.

Womit ich beim Gegner des 1. Spieltags bin. Es waren die Mainzer, gegen die wir im August vor 20 Jahren am ersten Spieltag der Abstiegssaison 2003/04 verloren hatten. Siegtreffer in der 86. Minute, trotz Führung durch Steffen Baumgart. Bitter. Was aber nicht der Grund dafür ist, dass mir Mainz und deren damaliger Trainer Jürgen Klopp bis heute unsympathisch sind.
Die Antipathie entwickelte sich am letzten Spieltag der Saison 2001/02. Da brauchte Mainz an der Alten Försterei ein Unentschieden für den Aufstieg in die Bundesliga. Der Karneval-Auswärtsblock war voll und voll war auch Herr Klopp, vor allem von sich selbst. Was soll schon passieren – Aufstieg alles klar. Kam aber anders: Union gewann, Bochum stieg statt Mainz auf, und VfL-Trainer Neururer schickte Freibier nach Köpenick.
Klopp beschwert sich über den „Acker“ in der Alten Försterei
Klopp, in der Pose des schlechten Verlierers, gab einer angeblich aggressiven Stimmung im Stadion, überhart spielenden Unionern „für die es um nichts ging“, dem Schiedsrichter und dem „Acker“ an der Alten Försterei die Schuld für die Niederlage. Zwei weitere Jahre verbrachten Klopp und Union gemeinsam und ohne einen weiteren Union-Sieg in der Zweiten Liga, bis es im Mai 2004 für Mainz nach oben in die Bundesliga und für Union nach unten in die Regionalliga Nord ging. Eingeleitet durch die Niederlage am 1. Spieltag in Mainz.
Also Unioner, stimmt das Orakel des ersten Spieltags mit einem Sieg gegen Mainz freudig und fahrt drei Punkte gegen den Abstieg ein! Und für den Fall, dass wir gegen Mainz verlieren: Union hat in den letzten 57 Jahren häufiger am 1. Spieltag verloren, als die Mannschaft abgestiegen ist. Es besteht also berechtigte Hoffnung auf den Klassenverbleib auch nach einer Niederlage am 1. Spieltag. Ich liebe Statistik.


