Wissen Sie, wie die Angst vor leeren Gläsern heißt? Nein, nicht Suffneid, sondern Cenosillicaphobie. Und kennen Sie die chemische Formel für Alkohol? Sie lautet: C2H5OH. Können Sie sich nicht merken? „Dann versuchen Sie es mal mit einer Eselsbrücke, und zwar indem Sie die Anfangsbuchstaben der Strukturformel rückwärts beschreiben: Herr Ober, 5 Helle, 2 Corn“, erklärt Julian Nebel.
Der Mitarbeiter eines Buchverlages hat im ersten Lockdown 2020 ein Buch über „unnützes Alkoholwissen“ geschrieben.* Dazu hat der Münchner spannende Fakten und lustige Anekdoten zusammengetragen, die beim geselligen Beisammensein dafür sorgen, dass einem der Gesprächsstoff beim ständigen Zuprosten nicht ausgeht.
Apropos Prost: Das Wörtchen stammt ursprünglich aus dem Lateinischen. Prosit heißt: Es möge nützlich sein. „Über die Studentensprache kam das Wort in den allgemeinen Sprachgebrauch“, weiß Julian Nebel. Und wenn Sie dann noch Brüderschaft trinken, hat das dem Ursprung nach wenig mit Verbrüderung zu tun, sondern das Ritual markiert den Übergang vom Siezen zum Duzen. Gut zu wissen, schön zum Weitererzählen.
Was Sie sonst noch wissen sollten, um auf einer Party zu brillieren, verrät Autor Julian Nebel exklusiv in der Berliner Zeitung.
Absinth
Nebel: Absinth ist die Eindeutschung des französischen Wortes „absinthe“, das ursprünglich Wermut bedeutet. Der Branntwein wird aus Wermut hergestellt und mit Anis sowie Fenchel verfeinert. Wegen seiner Farbe und des halluzinogen wirkenden Nervengiftes Thujons wird Absinth auch „grüne Fee“ genannt. Nicht zuletzt deshalb war Absinth lange verboten. Mittlerweile ist die Rezeptur harmloser, seit 1998 der Verkauf in Deutschland wieder erlaubt.
Früher war Absinth ein absolutes Künstlergetränk. Charles Baudelaire, Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Edgar Allan Poe, Ernest Hemingway und Oscar Wilde beispielsweise waren überzeugte Absinthtrinker. Edouard Manet schuf sogar ein Gemälde mit dem Namen ‚Der Absinthtrinker‘. Ernest Hemingway erfand einen Cocktail aus Absinth und Champagner, den er „Death in the Afternoon“ nannte. Und von Udo Lindenberg heißt es, sein Lieblingsgetränk sei Absinth mit Eierlikör.
Bier
Nebel: So richtig weiß niemand, woher das Wort eigentlich stammt. Viele meinen, es stamme vom lateinischen Verb „bibere“ ab, was trinken bedeutet. Weil Bier früher, im Mittelalter, hauptsächlich in Klöstern gebraut wurde und man dort lateinisch sprach, ist das nicht unwahrscheinlich. Aber im Vorderen Orient hat man bereits vor 13.000 Jahren Bier gebraut.
Dem amerikanischen Archäologen Patrick McGovern ist es gelungen, Bier nach dem wahrscheinlich ältesten Rezept der Welt zu brauen. Er hatte es nämlich geschafft, etwa 9000 Jahre alte Tonscherben aus China chemisch zu analysieren. Das Gefäß, zu dem sie einst gehörten, hatte seinerzeit Bier enthalten.
Und das muss man sich mal vorstellen: Seeleute der britischen Royal Navy hatten früher Anspruch auf eine Gallone Bier pro Tag. Das entspricht rund vier Litern. Den Weltrekord im Biertrinken hält aber Steven Petrosino aus den USA. Er trank 1977 einen Liter Bier in 1,3 Sekunden.
Und wissen Sie, was die erste Fracht war, die jemals mit einem Zug in Deutschland transportiert wurde? Genau! Bier, zwei Fässer. Das war 1835 auf der Strecke von Nürnberg nach Fürth.
Die erste Bierflasche wurde 1850 verkauft. Davor ging man mit einem Eimer zur Taverne, um sich seinen Schluck abzuholen. Dort wurde es nämlich meistens selbst gebraut. Und daher kommt auch der nicht gerade seltene Nachname Kretschmer – oder auch in anderen Schreibweisen wie Kretzschmer, Kretzschmar und so weiter. Vor allem in Schlesien und in der Lausitz war der Name ursprünglich eine Berufsbezeichnung für Wirte mit eigenem Braurecht.
In der DDR gab es auch eine Bierpartei, die DBU, kurz für Deutsche Biertrinker Union. Sie engagierte sich für die Einhaltung des deutschen Reinheitsgebots, für staatlich subventionierte Bierpreise und für die Aufhebung der Sperrstunde. Nachdem die DBU bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 nicht zugelassen wurde, verlor sie schnell an Bedeutung.
Champagner
Nebel: Wissen Sie, wie man das Öffnen von Champagnerflaschen mit dem Säbel nennt? Das ist eine wirklich hohe Kunst und heißt Sabrieren. Der Korken ist grundsätzlich zweigeteilt. Der obere Teil ist aus Presskorken, der untere Teil aus Naturkorken. Und hier noch eine Vokabel, die Sie gern mal nach dem dritten oder vierten Glas versuchen können auszusprechen: Agraffe. Das ist der Metallbügel, der den Korken samt Deckel auf der Flasche hält.
Früher trugen die Kellermeister Eisenmasken, um sich vor herausfliegenden Korken zu schützen. Das war ein wirklich martialischer Anblick. Man hätte meinen können, sie wären Folterknechte. Heutzutage werden jedes Jahr etwa 385 Millionen Flaschen Champagner hergestellt.
Aufgrund der langen Gärzeit in der Flasche lagern schätzungsweise rund 1,5 Milliarden Flaschen in den Kellern der Hersteller und Handelshäuser. Aufgrund der langen Gärung muss eine Champagnerflasche den entstehenden Druck aushalten können. Darum haben fast alle im Boden eine konische Vertiefung, die die Druckbeständigkeit der Flasche verbessert.
Eierlikör
Nebel: Eigentlich stammt die Idee für Eierlikör von brasilianischen Ureinwohnern, die aus Avocados, Rum und Zucker ein Erfrischungsgetränk herstellten. Im Deutschland des 19. Jahrhunderts waren Avocados sehr schwer zu bekommen, weshalb Eugen Verpoorten einfach Eigelb verwendete und so 1876 den Eierlikör erfand. Verpoorten ist heute mit einem Marktanteil von über 80 Prozent Marktführer in Deutschland, die Firma sitzt in Bonn am Rhein.
Neben Eiern enthält Eierlikör auch Alkohol und Zucker und muss mindestens 14 Prozent Volumenalkohol haben. Was nicht hinein gehört, sind Sahne oder Milch. Sind sie doch enthalten, spricht man von Eggnog, sehr beliebt in den USA.
Gin
Nebel: Der Wacholderschnaps war früher ein Arme-Leute-Getränk. Im 18. Jahrhundert wurde in jedem fünften Haus in England Gin getrunken. Große Empörung gab es, als Judith Dufour im Jahr 1734 ihre zweijährige Tochter tötete und deren Kinderkleidung verhökerte, um davon Gin zu kaufen. Die Frau wurde später zum Tode verurteilt und gehenkt. Erst im Jahr 1791 wurden Qualität und Herstellung des Gins reguliert. Seit dem Gin Act entstanden viele Destillerien, die hochwertigen Gin produzierten, darunter in den englischen Ortschaften Finsbury und Bloomsbury.
Bombay Sapphire wurde übrigens erst 1987 gegründet und ist somit jünger, als es der Auftritt und die Bekanntheit vermuten lassen. Allerdings stammt das Originalrezept aus dem Jahr 1761, heißt es. Traditionell enthält Bombay Sapphire 47 Prozent Alkohol, wird aber auf dem deutschen Lebensmittelmarkt fast ausschließlich in einer reduzierten Trinkstärke von 40 Prozent angeboten. Laut deutscher Verordnung muss Gin einen Alkoholgehalt von mindestens 37,5 Volumenprozent besitzen.
Der Verweis auf eine lange Tradition ist bei Gin-Produzenten beliebt. Die beliebte Marke Hendrick’s wurde beispielsweise erst im Jahr 2000 eingeführt, zunächst nur auf dem US-Markt. Der Flaschenaufdruck „Est. 1886“ jedoch lässt vermuten, dass es sich um eine Rezeptur aus dem 19. Jahrhundert handele und der Gin eine entsprechend lange Geschichte habe. Stimmt aber nicht. Tatsächlich ist es lediglich das Jahr, in dem William Grant seine erste Whiskey-Brennerei gründete und damit den Grundstein für jenes Unternehmen legte, das Hendrick’s Gin heute produziert.
Der Gin, den Humphrey Bogart in seiner Rolle des Kapitan Charlie Allnutt in „African Queen“ trinkt, stammt von der Marke Gordon’s Gin, die den Schnaps 1951 für die Dreharbeiten zur Verfügung stellte. In einer Szene des Films kippt Katherine Hepburn den Gin über Bord. In der Folge konnte Gordon’s seine Verkäufe um satte 26 Prozent steigern.



