Berlin-Wenn werdende Mütter Stress haben, kann sich das negativ auf die Entwicklung des Babys auswirken. „Es ist belegt, dass zwischen 40 und 50 Prozent der Kleinkinder ihr genetisches Potenzial nicht ausschöpfen können“, sagt Prof. Dr. Birgit Arabin. Ihr Team aus erfahrenen Geburtsmedizinern, Psychologen und Neonatologen hat es sich zum Ziel gesetzt, das durch sogenannte kreative Interventionen zu ändern.
„Musik tut einfach gut und macht glücklich. Davon profitieren vor allem werdende Mütter und ihre ungeborenen Kinder“, weiß die Expertin. Nur ist das bislang nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht. Prof. Dr. Birgit Arabin will in einem Dreijahresprojekt untersuchen, inwiefern sich mütterlicher Stress beispielsweise durch Musik reduzieren lässt und wie sehr die Babys davon profitieren.
Bei Mozart-Musik soll der Rhythmus der Musik dem Herzschlag des Ungeborenen am nächsten kommen, außerdem gelte die Musik als unbeschwert, so Arabin. Daher erhalten alle Schwangeren als Geschenk eine CD mit Mozarts Musik, die von den Berliner Barock Solisten eingespielt wurde. Die werdenden Mütter können sie zu Hause regelmäßig hören. Etwa ab der 22. Schwangerschaftswoche hört das Kind bereits, da das Mittelohr dann schon Erwachsenengröße hat. Deshalb geht man davon aus, dass das Kind die Musik mit positiven Gefühlen der Mutter verbindet und sie nach der Geburt auch wiedererkennt.
Anmeldefrist bis 3. Oktober
„Studien haben gezeigt, dass schöne Erlebnisse in der Schwangerschaft Mütter dabei unterstützen, mögliche Sorgen zu mildern, die Widerstandskraft zu stärken und so auch die Gesundheit und Entwicklung des Kindes positiv zu beeinflussen“, schreibt Arabin auf der eigens für das Projekt entwickelten Website. Dort können sich Schwangere aus Berlin und der näheren Umgebung auch noch bis zum 3. Oktober bewerben, wenn sie teilnehmen möchten.
Wichtig: Anmelden können sich nur Frauen, die bis zum Stichtag 1. Oktober die 18. Schwangerschaftswoche noch nicht überschritten haben. Die Teilnahme ist kostenlos. Alle Teilnehmerinnen müssen doppelt gegen Corona geimpft sein.
Einmal im Monat, immer Samstag vormittags, geben Musiker der Berliner Philharmonie ein etwa 45-minütiges gratis Konzert für die schwangeren Studienteilnehmerinnen. Für bequeme Stühle wird gesorgt, ebenso für ausreichend Abstand und Belüftung. Die Veranstaltungen finden im Foyer des Kammersaals statt. Vorher und nachher müssen die werdenden Mütter jeweils einen Fragebogen ausfüllen, den sie aufs Handy geschickt bekommen.
Hinzu kommen musikalische Kurse, die auch in der Philhamonie stattfinden „Es wird gesungen, langsam getanzt, sich zu Musik bewegt“, sagt Prof. Dr. Birgit Arabin. „Darüber hinaus bieten wir Modellieren und Kreatives Schreiben im Haus der Clara Angela Foundation in Grunewald an.“ Auf Wunsch wird auch beobachtet, wie das Kind im 4D-Ultraschall direkt auf die vertraute Mozart Musik reagiert.
„Vor, während und nach den Kursen werden wir die Probandinnen medizinisch begleiten“, so Arabin. „Wir bieten an, die Herzfrequenz aufzuzeichnen und den Stresswiderstand mittels Handauflegen auf ein Messgerät zu ermitteln.“ Außerdem wird der Cortisol-Spiegel der Mütter aus einem Speichel-Mundabstrich gemessen und am Ende der Zeit aus einer Haarprobe bestimmt.
Die Studie ist in drei Phasen aufgeteilt
Dieser erste Studienteil dauert bis zum März. Das erste Konzert hat bereits am 18. September stattgefunden, insgesamt sollen es sieben werden. „In dieser Phase wollen wir herausfinden, was Schwangere als angenehm empfinden und ihren Stress reduziert“, so Arabin. „Wir dürfen nicht vergessen, dass Corona besonders die Frauen vor große Herausforderungen stellt und Stress zusätzlich erhöht.“ Nach der Geburt wird auch die Entwicklung der Kinder durch Fragebögen bis zum 2. Lebensjahr ermittelt.
Man weiß, dass die Größe verschiedener Hirnareale des Gehirns eines Kindes auch vom Stresslevel der Schwangeren beeinflusst wird. „Leider wird das von vielen Ärztinnen und Ärzten nicht untersucht. Vielmehr hat die Suche nach genetischen Erkrankungen in der Pränataldiagnostik eine absolute Priorität. Dabei kann man selten große Heilungserfolge erzielen“, so die Wissenschaftlerin. „Am Stresslevel kann man aber hervorragend ansetzen, genau wie bei der Ernährung. Beides hat großen Einfluss auf die Entwicklung der Ungeborenen und des späteren Erwachsenen.“
Im zweiten und dritten Jahr der Studie können sich wieder Schwangere bewerben. Dann allerdings wird es zwei verschiedene Gruppen geben, die wissenschaftlich begleitet werden: „Bei der einen wird es, wie im ersten Jahr, künstlerische Interventionen geben, bei der anderen nicht“, erklärt die Medizinerin. „Wir hoffen, aus den Daten den konkrete Einfluss von verschiedenen Musikinterventionen ermitteln zu können.“
Zudem untersucht ein Labor Nabelschnurblut und die Plazenta untersuchen, um Stressparameter messen zu können: „Diese Untersuchungen könnten indirekt Schlüsse zur Auswirkung der Intervention zulassen“, so die Expertin.
Alle Daten werden in die Studie einfließen. „Und in drei Jahren wissen wir hoffentlich besser, wie kreative Erlebnisse die Schwangerschaft sowie die Entwicklung des Babys beeinflussen“, so Arabin.





