Meinungsfreiheit

Berliner Zeitung und NZZ diskutieren über Meinungsfreiheit: Es fehlt die Gegenstimme

Auf einem Panel der Konrad-Adenauer-Stiftung sollte Welt-Herausgeber Ulf Poschardt mit einem Spiegel-Kollegen und einem Autor der Berliner Zeitung diskutieren. Doch dazu kam es nicht.

Wichtige Rolle für die Meinungsbildung: Wie multiperspektivisch sind die Medien in Deutschland heute?
Wichtige Rolle für die Meinungsbildung: Wie multiperspektivisch sind die Medien in Deutschland heute?Sven Hoppe/dpa

Leben wir noch in einer Demokratie? Ist die Meinungsfreiheit bedroht oder sogar schon eingeschränkt? Diese Fragen sind nicht nur aktuell, sondern werden immer brisanter. Heute entscheiden sich immer mehr Menschen, ihre Meinung lieber für sich zu behalten, aus Angst vor den möglichen Konsequenzen.

In Deutschland wird die öffentliche Debatte zunehmend schwieriger. Die Meinungsfreiheit als fundamentales Grundrecht scheint in Gefahr. Wie steht es um den Zustand der Debattenkultur in unserem Land?

Berliner Zeitung und NZZ sprechen über Debattenkultur

Ursprünglich sollten am Mittwochabend der Welt-Herausgeber Ulf Poschardt, der Leiter des Spiegel-Büros in Washington, René Pfister, und Kolumnist der Berliner Zeitung, Michael Andrick, gemeinsam über die Debattenkultur in Deutschland diskutieren. Poschardt soll wegen eines unaufschiebbaren Verlagstermins abgesagt haben und wurde durch Beatrice Achterberg (NZZ) ersetzt. Bei Pfister lag wohl ein Missverständnis über das Datum der Veranstaltung vor, weswegen er fehlte. Die Online-Diskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) wurde moderiert von dem Journalisten Alfred Schier. So trafen letztlich nur Andrick und Achterberg aufeinander, die in vielen Punkten ähnliche Ansichten vertraten.

Andrick, der die Debattenkultur als „Patienten in der Notaufnahme“ bezeichnete, stellte klar, dass die Meinungsfreiheit ein unverrückbares Grundrecht sei, das nicht infrage gestellt werden dürfe. Allerdings sei in den letzten Jahren die Toleranz gegenüber anderen Standpunkten stark zurückgegangen. Die Fähigkeit, auch gegensätzliche Meinungen zu akzeptieren, sei verloren gegangen.

Beatrice Achterberg stimmte größtenteils mit Andrick überein und äußerte ebenfalls Bedenken über die zunehmend eingeengte Meinungsfreiheit. Sie wies darauf hin, dass der „Meinungskorridor“ in den letzten zehn Jahren deutlich enger geworden sei. Zwar sei die Situation in Deutschland noch nicht vergleichbar mit Ländern wie China oder Russland, doch auch in Deutschland gebe es problematische Entwicklungen. Besonders besorgniserregend seien staatliche Finanzierungen von Organisationen, die direkt oder indirekt die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen.

Die Diskussion nahm einen weiteren Wendepunkt, als die Debatten über staatliche Eingriffe und Zensur thematisiert wurden. So hatte die Bundesregierung bereits vor einiger Zeit eine Meldestelle beim Bundeskriminalamt eingerichtet, um gegen „Hass und Hetze“ im Internet vorzugehen. Doch auch hier bleibt die Frage, wo genau die Grenze zwischen berechtigter Kritik und strafbarem Hass gezogen wird. Wer entscheidet, was „Hass“ und was „Hetze“ ist?

Diskussion: Es geht gar nicht mehr um den Inhalt

Dieser Graubereich, so Andrick, könne gefährlich werden und als Instrument zur Moralisierung missbraucht werden. „Wenn ich nicht einfach über die anstehende Sachfrage Argumente austausche, sondern stattdessen darüber spekuliere, ob jemand etwas aus Hass oder aus Liebe oder aus irgendeiner anderen Emotion heraus sagt, dann kann der Austausch über Politik leicht in die moralische Bezichtigung des Gesprächspartners abgleiten.“

Zum Abschluss der Diskussion richtete Andrick in der CDU-parteinahen KAS scharfe Kritik an der Union und insbesondere an Friedrich Merz. Seiner Meinung nach sei Merz’ Politik gescheitert, weil durch die Brandmauer das Land nicht regierungsfähig sei. „Merz muss sich zurückziehen und es müssen Neuwahlen stattfinden“, so Andrick. Eine Gegenstimme war im virtuellen Raum nicht anwesend.

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