Die Stille aus dem Justizministerium in Washington war hörbar. Ganz Amerika war am vergangenen Montag in Aufruhr, nachdem der Untersuchungsausschuss des Kongresses zum versuchten Staatsstreich vom 6. Januar 2021 empfohlen hatte, eine Strafverfolgung von Donald Trump und seinen Beratern einzuleiten. Trumps Anhänger krakeelten vorhersehbar etwas von Hexenjagd. Die liberalere Mehrheit des Landes war dankbar und erleichtert, dass Trump und die Seinen angesichts ihrer Missachtung der demokratischen Institutionen zumindest in den Augen der Legislative nun als Kriminelle gelten.
Das Justizministerium unter Minister Merrick Garland, der Adressat der Empfehlungen vom Capitol Hill, hielt sich jedoch bedeckt. Die Frage, die ganz Amerika beantwortet haben will, ob Trump nämlich nun mit einer Anklage von höchster Stelle zu rechnen hat, bleibt vorerst unbeantwortet.
Wer den 70-jährigen Garland in den vergangenen Monaten beobachtet hat, der wird kaum erwarten, dass sich das bald ändert. Die Empfehlung des Kongresses an das Justizministerium hat, wie die Anwälte von Trumps Berater John Eastman schnell betonten, „null juristische Konsequenz“. Das Justizministerium ist dadurch nicht gebunden, seine eigenen Ermittlungen in irgendeiner Weise zu beschleunigen.
So wiesen gleich mehrere Kommentatoren darauf hin, dass Garland schon längst hätte Anklage erheben können, wenn er das denn gewollt hätte. Die Beweise gegen Trump, so etwa die Wochenzeitschrift The Nation, sind schon längst erdrückend: Angefangen von den aus dem Weißen Haus entwendeten Dokumenten bis hin zur Aufnahme eines Telefonats, in dem Trump den Staatssekretär des Staates Georgia offen zum Wahlbetrug auffordert.
Doch Garland hat es bislang vorgezogen, sich in übertriebener Vorsicht zu üben. Er möchte unter keinen Umständen wie ein oberster Wächter der Justiz erscheinen, der sich von politischen Erwägungen leiten lässt.
Das war zuletzt Mitte November zu beobachten, als er einen Sonderermittler zum Sturm auf das Kapitol ernannte, um sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Der Zeitpunkt dafür sorgte schon damals für Stirnrunzeln: Garland hatte so lange gewartet, bis Trump seine Kandidatur für 2024 bekannt gegeben hatte, um dann zu schlussfolgern, dass die Situation nunmehr politisch zu heikel sei.



