Europa

Ukraine und Russland: Vom Frieden weit entfernt

Weder die Ukraine noch Russland zeigen derzeit Ambitionen, die Kämpfe durch Verhandlungen zu ersetzen.

Das Landungsschiff „Olenegorski gornjak“ im Hafen von Noworossijsk (Archivbild)
Das Landungsschiff „Olenegorski gornjak“ im Hafen von Noworossijsk (Archivbild)AP

Russland hat nach eigenen Angaben in der Nacht Drohnenangriffe auf einen Marinestützpunkt in Russland und die annektierte ukrainische Halbinsel Krim abgewehrt. Die ukrainischen Streitkräfte hätten in der Nacht „unter Verwendung zweier Schiffsdrohnen“ versucht, die Schwarzmeerflotte in der südrussischen Hafenstadt Noworossijsk anzugreifen, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag im Onlinedienst Telegram. Die Russen geben an, russische Schiffe hätten die Drohnen abgeschossen.

Unbekannte ukrainische „Sicherheitskreise“ bestätigten der Nachrichtenagentur AFP den Drohnenangriff. Er sei in Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Geheimdienst SBU vorbereitet worden, hieß es. Ein AFP vorliegendes Video zeigt eine Schiffsdrohne, die auf ein Kriegsschiff zusteuert, bevor die Übertragung kurz vor dem Einschlag abbricht. Die Authentizität des Videos ist unabhängig nicht zu überprüfen. Andere Videos, die im Internet kursierten und die Einschläge im Nebel zeigen, konnten auf ihre Echtheit nicht überprüft werden.

Noworossijsk ist ein wichtiger Hafen für Öltanker und liegt am Ende einer etwa 1500 Kilometer langen Pipeline, die Öl aus Kasachstan und mehreren russischen Regionen liefert. Ein Großteil des für den Export bestimmten kasachischen Öls wird über diese Pipeline transportiert. Der Betreiber Caspian Pipeline Consortium erklärte laut Nachrichtenagentur Interfax, es werde weiterhin Öl an die im Hafen vor Anker liegenden Schiffe geliefert. Allerdings sei ein vorübergehendes Einfahrverbot für den Hafen verhängt worden.

Die russische Schwarzmeerflotte ist seit Beginn der russischen Invasion immer wieder Ziel von Angriffen gewesen, in den vergangenen Wochen häuften sich diese jedoch. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, schossen russische Kräfte in der Nacht zu Freitag 13 Drohnen über der Halbinsel Krim ab. Es seien keine Menschen oder Gebäude zu Schaden gekommen, hieß es.

Die russische Armee teilte unterdessen mit, Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe im ostukrainischen Lyman einen Kommandoposten besucht und sich mit hochrangigen Offizieren getroffen.

Die ukrainische Armee hatte im Juni mit einer lange erwarteten Gegenoffensive begonnen, aber bislang nur bescheidene Fortschritte verzeichnet. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach am Donnerstag von „harten Kämpfen“ an der Front und bezeichnete die ukrainischen Streitkräfte zugleich als „überlegen“. Derzeit werde unter anderem in Kupiansk, Lyman und Bachmut sowie an der südlichen Front gekämpft, sagte Selenskyj.

Im Spätsommer und Herbst 2022 hatte die Ukraine relativ schnell kleinere Geländegewinne rund um Cherson und Charkiw gemacht. Allerdings haben sich die Russen entlang der Front eingegraben, sodass die Bemühungen der Ukrainer deren eigenen Angaben zufolge wenig erfolgreich waren. Kiew hatte davor gewarnt, dass die Gegenoffensive sich hinziehen könne, und seine Verbündeten um zusätzliche Waffenlieferungen gebeten.

Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland sind derzeit noch nicht abzusehen. Zwar sondieren Emissäre aus den USA im Hintergrund, wie es zur Wiederaufnahme von konstruktiven Gesprächskanälen kommen könne, doch die Positionen der direkten Kriegsparteien liegen aktuell noch weit auseinander: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte zwar laut der regierungsnahen türkischen Zeitung Sabah, er hoffe, dass Friedensgespräche mit Russland bereits im Herbst möglich würden. Er sagte, die bevorstehenden Gespräche in Saudi-Arabien am Wochenende seien ein Sprungbrett auf dem Weg zu solchen Gesprächen. Allerdings ist unklar, wer an diesen Gesprächen teilnimmt. Bisher haben laut Sabah erst Großbritannien, Südafrika, Polen und die EU ihre Teilnahme zugesagt. Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, werde voraussichtlich anwesend sein, hieß es weiter. Russland ist nicht eingeladen.

Selenskyjs Friedensplan sieht den vollständigen Rückzug Russlands aus allen besetzten Gebieten, einschließlich der Krim vor. Der Kreml gibt dagegen an, rund ein Sechstel der Ukraine annektiert zu haben. Moskau sagt, man halte Friedensgespräche mit der Ukraine nur für möglich, wenn Kiew „neue Realitäten“ akzeptiere, und verwies dabei auf seine Gebietsansprüche.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte laut Sabah, weder die Ukraine noch Russland seien aktuell bereit, über Frieden zu sprechen. Lula fügte gegenüber Auslandskorrespondenten in einer Pressekonferenz hinzu, dass Friedensvorschläge, die er mit anderen neutralen Ländern anstrebt, bereit liegen würden, sobald Russland und die Ukraine wirklich Verhandlungen führen wollen.