Demokratie

Über die erste und letzte freie Parlamentswahl in der DDR

Am 18. März 1990 konnte sich das Volk zwischen 24 Parteien entscheiden – und es gab auch einen echten Wahlkampf. Doch es lief nicht alles glatt.

Berlin-Gerade weil die Angelegenheit so ernst war, wollten wir cool sein. Es war ein ganz besonderer Tag: der 18. März 1990 – jener Sonntag, an dem die wichtigste Wahl in der Geschichte der DDR anstand. Es war die erste Wahl, bei der alle Bürger wählen konnten, was sie wollten. Erstmals seit 1950 traten in dieser Demokratischen Republik nun tatsächlich 24 Parteien oder Wahllisten gegeneinander an, und es musste nicht die von der Staatspartei SED angeführte Einheitsliste der „Nationalen Front“ abgenickt werden.

Weil wir – zwei 23 Jahre alte Studenten – cool sein wollten, gingen wir erst recht spät zum Wahllokal. Das war durchaus eine Botschaft, denn üblicherweise wurde in der DDR sehr zeitig gewählt, von Staats wegen. Wer zum Beispiel bei der gefälschten Kommunalwahl im Mai 1989 nicht bis zwölf Uhr im Wahllokal erschienen war, bei dem klingelten schon bald Männer in Zivil und forderten mit bestimmtem Ton, nun doch bitte mitzukommen und zu wählen. Oder bei der Volkskammerwahl im Juni 1986.

Berliner Zeitung

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