Die Verletzungen, die sich SPD, Grüne und Linke in Berlin nach dem Auseinanderbrechen ihrer Koalition zugefügt haben, wirken nach. In der ersten Parlamentsdebatte seit der Wahl Kai Wegners (CDU) zum Regierenden Bürgermeister kam es zu einem Eklat: Der SPD-Politiker Torsten Schneider und die Linke-Abgeordnete Katalin Gennburg gerieten heftig aneinander. Danach entschuldigte sich Schneider via Twitter.
Hintergrund des Streits waren Berichte darüber, dass der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg (AIV), nach eigener Darstellung ein Verein zur Förderung der Baukultur, die Gründung einer Baugenossenschaft initiieren will, die sich auf landeseigene Grundstücke bewerben könnte.
Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, unterstellte Vetternwirtschaft und Kungelei. Namentlich nannte sie Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, eine Architektin. Diese habe enge persönliche Kontakte zum AIV. Kahlfeldt sei „ein verlängerter Arm des Berliner Baufilzes“, sagte Gennburg und fragte Bausenator Christian Gaebler (SPD) süffisant zu seiner Staatssekretärin: „Schadet das dem Berliner Senat?“
Senator Gaebler reagierte scharf, attestierte Gennburg „latenten Hass auf Frau Kahlfeldt“. Gennburgs „private Unterstellungen“ seien „an den Haaren herbeigezogen“. Im Übrigen sei mitnichten entschieden, ob eine AIV-nahe Genossenschaft tatsächlich öffentliche Liegenschaften zur Bebauung erhalte, so der Senator.
Prinzipiell gilt bisher: Das Land Berlin verkauft keine Flächen, Genossenschaften können jedoch eine zeitlich befristete Erbbaupacht erhalten.
Gennburg wies die Unterstellung persönlicher Motive zurück. Sie verwahre sich gegen den Begriff Hass in diesem Zusammenhang. Aber: „Es kann uns allen nicht egal sein, wenn diese Verquickungen wieder zutage treten.“
Die Linke provoziert, die SPD lässt sich provozieren
Die Provokation verfing – und Torsten Schneider, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, platzte der Kragen. Er habe „großes Verständnis für Phantomschmerzen der Linken und Grünen“, nun nicht mehr im Senat mitentscheiden zu können, sagte Schneider scharf, aber er erkenne keinen „qualitativen Unterschied zwischen Ihrer Hetze“ und der der AfD. Die Folge: Tumult und eine halbstündige Unterbrechung der Sitzung. Auch viele SPD-Parlamentarier waren erbost. Selbst manchem aus der CDU war das zu viel Attacke.
Getroffene Hunde bellen? https://t.co/18Oz5UNBWy
— Katalin Gennburg (@die_gennburg) May 11, 2023
Schneider nutzte die Pause, um via Twitter zurückzurudern. „Ich habe gerade die Art des Vortrages einer Kritik einer Kollegin der Linken mit der der AfD verglichen“, schrieb der erfahrene Parlamentarier: „Ein klarer Fehler. Es darf keine Relativierung geben.“


