Gastbeitrag

Slavoj Zizek: Das Versagen der Linken – Warum die Rechte die Arbeiterklasse gewinnt

Der Aufstieg des Rechtspopulismus entlarvt das Scheitern linker Strategien. Zeit für radikales Umdenken. Ein Gastbeitrag.

Slavoj Zizek
Slavoj Zizekimago

Walter Benjamin wird die Aussage zugeschrieben: „Hinter jedem Faschismus steht eine gescheiterte Revolution.“ Diese Aussage (auf die ich mich selbst mindestens zehnmal bezogen habe) drängt sich natürlich als Formel auf, mit der sich der anhaltende konservative Populismus (nicht nur der von Trump) erklären ließe: Die hegemoniale liberale Demokratie hat es versäumt, das Unbehagen der schweigenden Mehrheit der Arbeiterklasse wahrzunehmen – einer Klasse, die sich in den Themen Multikulturalismus, Wokismus und Identitätspolitik nicht wiedererkannte; dieser Leerstelle haben sich die neofaschistischen Populisten angenommen und sich selbst als Stimme der von der liberalen Elite ausgebeuteten Arbeiterklasse inszeniert ...

Doch diese Formel greift an einem entscheidenden Punkt zu kurz: Sie beantwortet nicht das zentrale Rätsel – warum ist die Revolution gescheitert, das heißt, warum ist es der neuen Rechten und nicht der Linken gelungen, die Wut und den Zorn vieler sogenannter „einfacher Menschen“ für sich zu gewinnen? In letzter Zeit ist es recht populär geworden, der Theorie (der Philosophie) die Schuld zu geben – sie habe es nicht geschafft, der ausgebeuteten Mehrheit ein tragfähiges politisches Programm zu bieten, das in der Lage wäre, das Volk zu mobilisieren.

Berliner Zeitung

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