Berlin- Wie bezeichnend. Das Scheitern des Entwurfs im Bundesrat zur bitter nötigen Entfernung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch – der die ärztliche Bereitstellung von Informationen zum Schwangerschaftsabbruch ahnden soll – zeigt überdeutlich, wie es um die Machtverteilung in diesem Land gerade steht. Soll noch einmal jemand sagen, alle Geschlechter hätten hier dieselben Rechte oder Chancen. Es wäre nichts als eine weitere Lüge in einem von wirtschaftlichem Wachstum und patriarchaler Dominanz geleiteten politischen System.
Der Paragraf 219a bestraft Ärztinnen und Ärzte, die über den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft aufklären wollen, sachlich und medizinisch detailliert. Etwa so: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen“, wie es die Berliner Gynäkologin Bettina Gaber ursprünglich auf ihrer Homepage angegeben hatte. Doch für einen solchen Satz gibt es bis zu zwei Jahre Knast.
Die Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen und Bremen hatten am Freitag im Bundesrat eine Gesetzesinitiative zur ersatzlosen Streichung von § 219a vorgelegt. Berlins Justizsenator Behrendt versuchte, sein Kollegium aus den Landesregierungen noch mit Argumenten zu überzeugen: Die aktuelle Situation sei „absurd“. Christliche Fundamentalisten dürfen Mahnwachen vor Beratungsstellen wie Pro Familia abhalten und Schwangere in der Notsituation, in der sie sind, mit Bildern blutiger Föten und Flyern mit Falschinformationen zum Ablauf der Entwicklung eines Embryos belästigen. Unterdessen müssen sich Gynäkologinnen vor Gericht stellen lassen, wenn sie über eine medizinische Behandlung sachlich informieren.
Im Livestream zu der Abstimmung im Bundesrat sah man nur vier Länder die Hand heben, als Zustimmung für den Entwurf. Es waren überwiegend die Regierungsverantwortlichen mit konservativer Beteiligung, die damit in schweigender Ablehnung die Position rechtsreaktionärer Gegner der Selbstbestimmung der Geschlechter bezogen. Zack, nächster Punkt. Als wäre nichts gewesen.
Da ist aber noch was.
Offenbar gibt es nach wie vor Entscheidungsträger, die dulden und begrüßen, dass die Körper Schwangerer als Kampfplatz männlichen Machterhalts herhalten müssen. Die Weigerung, den Paragraf zu streichen – sogar, die Debatte nur ins Bundesparlament zu bringen – ist hierfür ein Symptom.
Paragraf 219a hat im Strafgesetzbuch nichts verloren
Den Zugang zu Wissen zu blockieren, war schon immer ein wirksames Instrument der Unterdrückung. Das ist bequem, denn man muss ja nicht einmal wirklich dazu stehen, welch feindliches Frauenbild dieser Ignoranz zugrunde liegt: Die Unterstellung, eine schwangere Person sei nicht in der Lage, Werbung von Information zu unterscheiden?
Von der Zuschauertribüne im Bundesrat lässt sich das sehr leicht abnicken. Wer am Ende den Spießroutenlauf zwischen murmelnden Gebetskreisen vor Beratungsstellen und Gerichtssälen aushalten muss, sind Patientinnen und Ärztinnen.


