Oppositionsmedien in Polen kritisieren den Umgang der polnischen Regierung mit dem Raketenabsturz von Dienstagnachmittag in Przewodów, bei dem zwei Polen ums Leben gekommen sind. Erste Berichte legten nahe, dass es sich um eine russische Rakete gehandelt habe. Kurz danach hätte sich aber herausgestellt, dass es sich um eine fehlgeleitete ukrainische Abwehrrakete gehandelt habe. Eine Kommentatorin der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza kritisierte, dass die polnische Regierung nicht früher Entwarnung gab und dass die polnischen Staatsmedien Angst schürten und einen russischen Angriff suggerierten.
Kritik gibt es jetzt auch gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er habe ebenso nahegelegt, es habe sich um einen russischen Angriff gehandelt. Auch am Mittwochmorgen, als der amerikanische Präsident Joe Biden und führende Nato-Generäle Entwarnung gaben. Der polnische Journalist Roman Imielski von der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza schreibt: „Was am Dienstag in Przewodów, weniger als zehn Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, geschah, ist einzig und allein das Ergebnis eines vom Putin-Regime angezettelten Krieges. Die ukrainische S-300-Raketenabwehrrakete wäre nie abgefeuert worden, wenn nicht russische Raketen auf Lemberg geflogen wären und wenn es nicht zu einer russischen Aggression gekommen wäre.“
Und doch heißt es weiter: „Selenskyjs Team hat mit Blick auf die Tragödie von Przewodów Fehler um Fehler gemacht. Der erste war das öffentliche Auftreten des Präsidenten selbst – in den sozialen Medien –, der nur wenige Stunden nach dem Raketenangriff verkündete, dass es sich um einen russischen Angriff auf das Gebiet eines Nato-Landes handeln würde. Und dass Kiew seit langem davor gewarnt hatte, dass sich der Krieg über die Ukraine hinaus ausbreiten würde.“
Ukraine einen Bärendienst erwiesen
Die ukrainischen Medien hätten den Unfall für ihre Informationskampagnen genutzt und zu lange die Umstände um den Unfall nicht aufgeklärt. Selbst nach der Veröffentlichung der Fakten durch Biden und die Nato insinuierte Selenskyj, der russische Angriffskrieg würde sich auf Nato-Boden ausweiten. Damit habe er seinem Land einen Bärendienst erwiesen. Dann heißt es weiter: „Selenskyj spielt ein riskantes Spiel, denn er hat seine eigene Glaubwürdigkeit in den Augen seiner wichtigsten westlichen Partner untergraben. Kiew hoffte wahrscheinlich, dass der Westen angesichts des Krieges und der massiven Terroranschläge Russlands die Augen vor den Tatsachen verschließen würde. Nur ist dies in Gesellschaften mit freien Medien und Politikern, die gegenüber den Bürgern rechenschaftspflichtig sind, nicht möglich. Denn früher oder später würde die Wahrheit ans Licht kommen.“
Die Ukraine wollte die Situation ausnutzen und die Nato stärker in den Konflikt involvieren. Das sei nicht gelungen. Zur Wahrheit gehöre aber auch: Hätte die Ukraine modernere Waffen, wäre es zu dieser Tragödie nicht gekommen. Denn der ukrainische Blindläufer stammt aus sowjetischer Produktion, so der Autor. Mit deutschen oder britischen Präzisionswaffen wäre der Unfall vermutlich nicht passiert.
Kritik gab es ebenso von Journalisten in Deutschland. Der Autor Thomas Dudek schrieb am Donnerstag auf Twitter: „Eigentore sind immer unnötig. Aber dass Selenskyj und andere Vertreter der ukrainischen Regierung weiterhin darauf beharren, dass die in Polen niedergegangene Rakete von Russland abgefeuert wurde, ist einfach nur ein total dummes Eigentor. Und das gegenüber den eigenen Partnern.“ Selenskyj wiederum relativierte seine These am Donnerstag, eine russische Rakete habe Polen getroffen. Er sagte bei einem offiziellen Event, niemand wisse genau, was am Dienstag in Polen passiert sei.
Eigentore sind immer unnötig. Aber dass Selenskyj und andere Vertreter der ukrainischen Regierung weiterhin darauf beharren, dass die in Polen niedergegangene Rakete von Russland abgefeuert wurde, ist einfach nur ein total dummes Eigentor. Und das gegenüber den eigenen Partnern.
— Thomas Dudek (@thomas_dudek) November 17, 2022

