Kolumne

Polnische Begebenheiten

Unser Autor hat seine polnische Heimat besucht. In Gesprächen dort ging es auch darum, ob die Regierung in Warschau Putin ermutigt hat, den Krieg zu beginnen.

Waldemar Grudzien
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Vor ein paar Tagen hat Tomasz Kurianowicz in dieser Zeitung von seinen Begegnungen und Gesprächen mit jungen polnischen Journalistinnen und Journalisten berichtet und dabei auch von ihrer zentralen Sorge, die gleichzeitig Vorwurf an Deutschland ist, im Ernstfall wieder allein zu sein und durch Deutschland im Falle eines russischen Angriffs nicht unterstützt zu werden.

Spontan dachte ich, „wie 1939“, als Polen von beiden Aggressoren angegriffen wurde, und gleichzeitig fand ich die Äußerungen der jungen Menschen übertrieben. Nach ehrlicher Analyse muss ich mir aber eingestehen, dass ich dem Klassiker der Verdrängung anheimgefallen bin. Ich will nicht wahrhaben, dass es stimmen könnte: Russland greift nach einer Besetzung der Ukraine als Nächstes die baltischen Staaten und Polen an und wir Deutsche debattieren weiter, ob wir schwere Waffen liefern. Wird „schwere Waffen“ das Wort des Jahres?

Klein- und großstädtisches Milieu, niemand vom Lande, ein wenig PiS-Unterstützung, mehrheitlich der Opposition zugehörig

Rund um Ostern habe ich ein paar Tage in meiner Heimat verbracht und mich mit meinen Freunden unterhalten. Ich bat sie, keine Rücksicht auf mich zu nehmen, da ich eh Pole und Deutscher bin, halte ich das schon aus. Ich sprach also mit einer Hausfrau und Mutter von drei Kindern, einem Kanzleiinhaber, einem Ingenieur, einer Entwicklerin (Programmiererin sagt man nicht mehr), einer Lehrerin und einem Maschinenschlosser. Klein- und großstädtisches Milieu, niemand vom Lande, ein wenig PiS-Unterstützung, mehrheitlich der Opposition zugehörig.

Meine Freunde wundern sich unisono über unseren zögernden Kanzler und die ausgebliebene „Zeitenwende“

Apropos PiS: 39 Prozent ist das aktuelle Umfrageergebnis auf die Sonntagsfrage. Das ist wichtig als Framing für die Antworten meiner Freunde. Sie wundern sich unisono über unseren zögernden Kanzler und die ausgebliebene „Zeitenwende“ nach seiner als sehr gut wahrgenommenen Rede im Bundestag. Aber keine Besserwisserei nach dem Motto: Wir haben immer recht gehabt bei Nord Stream 2 und dem Aggressor Putin, sondern: „Alle machen Fehler“, auch in der politischen Einschätzung. Und nun komme es darauf an, die richtigen Schlüsse zu ziehen und auch zu handeln. Und da wird ein Defizit gesehen, was unserem Kanzler und der SPD angelastet wird. Es fiel der Spruch „Juristen sind feige“ (Olaf Scholz ist ausgebildeter Jurist) und entscheiden immer zu spät und möglichst, um Schaden von sich fernzuhalten. Wenn der Spruch in diesem Fall nicht so zutreffen würde, wäre er einfach nur lustig.

Cyber-Resilienz in Zeiten des Krieges

Von Waldemar Grudzien

27.03.2022

Einige fragten sich, wie viel die polnische Politik zur Ermutigung Putins, den Krieg zu beginnen, beigetragen hat! Sonst hören wir immer nur und zu Recht, dass wir Deutsche mit unseren fossilen Zahlungen Putins Machtapparat allgemein und den Krieg im Speziellen am Laufen halten. Aber die PiS habe wie Herr Orbán mit ihrer Spaltung der EU in Sachen Rechtsstaatlichkeit und freie Medien sowie dem ständigen Bashing von Berlin und Brüssel Putin Hoffnung auf eine nicht geeinte EU im Kriegsfall gegeben und ihn so zusätzlich in seinem Kriegsziel bekräftigt! Das saß! Gleichzeitig wurde die Hoffnung geäußert, dass die EU in beiden Streitthemen gegenüber Polen und Ungarn hart bleibt und nicht nachgibt. Für die nahe Zukunft hoffen meine Freunde auf die Anführung Europas gemeinsam durch Polen und Deutschland. Das entspricht einem meiner Lebensträume und ich kann nur hoffen, dass Frankreich dieses Ziel auch nach den Stichwahlen weiterhin verfolgen wird.