Richard Reischl ist seit acht Jahren Bürgermeister in der rund 5800 Einwohner zählenden Gemeinde Hebertshausen im oberbayerischen Landkreis Dachau bei München. Der CSU-Politiker besitzt vier Mietwohnungen. Reischl erlässt erst einmal bis zum Jahresende zwei Familien in seinem Haus 100 Euro pro Monat an Kaltmiete. Das entspricht seinen Angaben nach 14 Prozent der vertraglich vereinbarten Gesamtmiete. Sollte die Preisentwicklung sich nicht stabilisieren, verspricht er eine weitere Verlängerung der Mietsenkung. Der Bürgermeister hat seine Entscheidung mit einem Facebook-Post öffentlich gemacht.
Herr Reischl, viele Mieter fürchten wegen der steigenden Gaspreise deutlich höhere Nebenkosten. Sie haben als Vermieter nun die Kaltmiete für zwei Familien gesenkt. Warum?
Ich habe eine Nachricht von meinem Gasversorger bekommen, dass vom 1. September an der Preis für Gas auf das Dreifache steigen wird. Ich vermiete in meinem 1976 erbauten Elternhaus an vier Parteien. Ich habe in den vergangenen Jahren einiges gemacht, um das Haus energetisch auf Vordermann zu bringen. Aber der Verbrauch an Wärmeenergie ist in einem über 40 Jahre alten Gebäude höher als in einem moderneren Bau. Meine Mieter müssen mit 1200 bis 1300 Euro an Mehrkosten rechnen. Sie wohnen schon zehn Jahre bei mir. Ich habe zu allen ein sehr gutes Verhältnis und will nicht riskieren, dass sie sich die Miete vielleicht nicht mehr leisten können und kündigen. Mir ist es wichtig, nette Leute im Haus zu haben und nicht alle drei Monate einen Mieterwechsel.

Reischl ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der CSU-Politiker setzt immer wieder liberale Akzente. Er veröffentlichte etwa 2018 einen Brandbrief in den sozialen Medien, in dem er die Asylpolitik der CSU scharf kritisierte.
Hatte Ihre Entscheidung auch etwas damit zu tun, dass Sie Bürgermeister sind?
Ich bin bei einem Sportfest von einem Bürger angesprochen worden. Er hat mir seine Sorgen geschildert über die steigenden Mietkosten. Nach dem Fest habe ich meinen Rasen gemäht und darüber nachgedacht, was ich selbst tun kann. Solange ich als Bürgermeister ein öffentliches Amt innehabe, kann ich ein Zeichen setzen, das auch wahrgenommen wird. Deshalb habe ich meine Entscheidung nicht für mich behalten.
Sie haben nicht allen Mietern etwas von der Kaltmiete erlassen. Gab es von den anderen Parteien keine Beschwerden?
Nein, ich habe mit allen im Haus gesprochen. Die Niederlassung einer großen Versicherung hat bei mir angemietet. Die sind momentan nicht von der Krise betroffen. Ein anderer Mieter arbeitet für ein großes Autounternehmen. Er verdient ungefähr so viel wie ich als Bürgermeister. Er hat freiwillig auf eine Mietminderung verzichtet, sodass ich bei den beiden Familien noch etwas drauflegen konnte. Menschen helfen einander gerne. Das ist meine Erfahrung. Vielleicht ist das in einer kleinen Gemeinde wie Hebertshausen, wo es nicht so anonym zugeht, sogar noch eher der Fall.
Zufriedenheit geht vor Profit
Und für Sie selbst ist es kein Problem, auf die Einnahmen zu verzichten?
Bevor ich Bürgermeister wurde, habe ich als selbstständiger Elektromeister ungefähr die Hälfte verdient und kam gut zurecht. Ja, vielleicht muss ich mich an der einen oder anderen Stelle einschränken. Aber ich glaube, in der Krise sollten nicht nur die Mieter Opfer bringen. Mir ist Zufriedenheit mit mir selbst wichtiger als Profit. Dafür möchte ich gerne etwas tun.
Viele Vermieter decken mit Mieteinnahmen ihren Kredit für die gekauften Immobilien. Großzügigkeit kann sich vielleicht nicht jeder leisten.
Das stimmt. Und die Zinsen sind im Vergleich zu vor zehn Jahren deutlich gestiegen. Nicht alle können jetzt so handeln wie ich, das ist mir klar. Ich habe in meinem Facebook-Post deshalb auch nicht dazu aufgerufen, meinem Beispiel zu folgen. Ich habe geschrieben, dass sich jetzt jeder überlegen sollte, ob er in der jetzigen Lage andere unterstützen kann.
Gab es Kritik daran, dass Sie Ihre persönliche Entscheidung als Vermieter öffentlich gemacht haben? Sie sind ja auch CSU-Politiker. Politische Konkurrenten könnten Eigenwerbung wittern.
Ich hätte das definitiv nicht öffentlich gemacht, wenn ich 2023 im Wahlkampf gewesen wäre. Ich stehe aber in den kommenden vier Jahren nicht zur Wahl. Manche habe da vielleicht einen anderen Blickwinkel darauf, aber ich sehe es als Chance, dass ich in meinem Amt Beispiel geben kann. Ich bin in der CSU, weil mir das Christliche und das Soziale am Herzen liegt. Ich bin deshalb auch nicht begeistert darüber, dass Markus Söder jetzt von einer „Gastriage“ spricht. Wir kennen das Wort zu gut aus einem anderen Zusammenhang. Das ist eine Sprache, die den Menschen Angst macht. Das sollte die Politik besser nicht tun.
Das ist eine Sprache, die den Menschen Angst macht.
Was hätte Markus Söder aus Ihrer Sicht besser gesagt?
Ich glaube, es ist jetzt wichtig, die Menschen an der Hand zu nehmen und ihnen klarzumachen, dass wir gemeinsam durch die Krise kommen. Die Menschen haben jetzt viele Sorgen. Manche haben Angst, dass auch bei uns bald Bomben fallen könnten. Ich sehe meinen Beitrag darin, etwas gegen die Aufregung zu tun. Politiker sollten jetzt deutlich machen, dass sie die Lage im Griff haben.
Sorgen Sie sich um den sozialen Frieden?
Wir leben gerade im Münchner Umland in großem Wohlstand. Aber gerade auf Familien kommen Belastungen zu. Die ganze Gesellschaft steht jetzt vor einer Herausforderung. Da ist aus meiner Sicht jeder aufgerufen, einen Beitrag zu leisten.
Gerade auf Familien kommen Belastungen zu.
Wie haben die beiden Familien reagiert, denen Sie die Miete erlassen haben?



