Erste Dienstreise

Wegner in Polen: In Warschau geht schnell, was in Berlin quälend lange dauert

Am ersten Tag seines Besuchs sprach Berlins Regierungschef über Parkraumüberwachung, LED-Laternen und warum er Warschau für seine erste Dienstreise gewählt hat.

Kai Wegner und Warschaus Stadtpräsident Rafal Trzaskowski
Kai Wegner und Warschaus Stadtpräsident Rafal TrzaskowskiSenatskanzlei

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er etwas lernen. Zum Beispiel weiß Kai Wegner nun, dass in Warschau Autos mit Kameras auf dem Dach in Kiezen mit Parkraumbewirtschaftung herumfahren. Sie scannen abgestellte Fahrzeuge, stellen fest, wer wie lange dort parkt, und registrieren quasi nebenbei, ob alle auch die richtige Parkvignette haben.

Wie groß Kai Wegners Erkenntnisgewinn angesichts ungleich schärferer Datenschutzbestimmungen in Deutschland sein mögen, sei dahingestellt. Wegner nahm immerhin mit, dass man mit datenbasiertem Wissen auch ganz anders Verkehrspolitik machen könnte als in Berlin, wo es oft sehr grundsätzlich diskutiert wird.

Die Warschauer Herangehensweise schien Wegner jedenfalls zu gefallen, der so oft von einer „unideologischen und pragmatischen“ Politik träumt und spricht. Er könne sich vorstellen, sogar neue Parkplätze in der Innenstadt zu schaffen (und auf andere zu verzichten), wenn die Daten das hergeben.

Doch als Allererstes gilt auch für Wegners Warschau-Trip: Reisen bildet. Das galt auch für den zweiten Termin am ersten Tag der ersten Dienstreise als Regierender Bürgermeister von Berlin, die den CDU-Politiker von Sonntag bis Montag in die Hauptstadt Polens führte. Da wurde den staunenden Gästen aus dem Westen präsentiert, in welcher Windeseile in Warschau derzeit die Straßenbeleuchtung von Gas- auf LED-Betrieb umgestellt wird. 1000 Laternen schaffe man pro Woche, bekam Wegner in der Stadtverwaltung zu hören. Von 80.000 Leuchten seien 40.000 bereits umgebaut.

Solche Zahlen brachten die Besucher aus der deutschen Hauptstadt dann doch ins Grübeln. Schließlich vollziehen sich gerade solche scheinbar einfachen Fortschritte in Berlin oft quälend langsam.

Wir der Gastgeber von Kai Wegner neuer Staatspräsident von Polen?

Am Abend hatte Wegner einen Termin mit Rafal Trzaskowski, Bürgermeister von Warschau. Trzaskowski, der vor einigen Jahren einmal polnischer Staatspräsident werden wollte und dem immer noch Ambitionen auf das höchste Amt im Staate nachgesagt werden, ist Gastgeber des Gipfeltreffens des „Pakts der freien Städte“. Das ist ein Zusammenschluss osteuropäischer Hauptstädte wie Budapest, Prag, Bratislava und eben Warschau – übrigens initiiert anlässlich des 30. Jahrestags des Mauerfalls, zu dem der Berliner Senat Vertreter dieser Städte an die Spree eingeladen hatte.

Berlin selbst ist freilich erst seit einem Jahr Mitglied, wie die damalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey mit ihrer Unterschrift beglaubigte. Nun ist es an Kai Wegner, den Beitritt mit seiner eigenen Signatur zu bekräftigen. Denn es gilt die Regel: Die Mitgliedschaft gilt immer nur persönlich. Jedem neu gewählten Stadtoberhaupt, dem der Pakt wichtig ist, wird also daran gelegen sein, das Dokument zu unterzeichnen.

Pakt der freien Städte für liberale, demokratische und rechtsstaatliche Werte

Und obwohl der Freie-Städte-Pakt durch den Beitritt von zwei Dutzend weiteren Städten an Exklusivität – und ,wenn man so will, gemeinsamem Geschichtsbewusstsein – verloren hat, hat er für Wegner weiterhin Gewicht. Immerhin versteht sich der Zusammenschuss als ein internationales Bündnis von Städten, die sich für liberale, demokratische und rechtsstaatliche Werte sowie gegen Populismus einsetzen, wie es in einer Resolution heißt.

Und da Geschichte bekanntlich weiterhin, immerzu und jederzeit überall gemacht wird, bleiben auch die Veröffentlichungen der Paktmitglieder aktuell und oft hochpolitisch. So unterzeichneten die Mitglieder am 25. Februar 2022, am Tag nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges, eine Resolution, in der sie „die unprovozierte und dreiste Entscheidung,  (...) in den freien und unabhängigen Staat Ukraine einzumarschieren“, und „die bewaffnete Aggression von Präsident Wladimir Putin gegen die Ukraine“ verurteilten.

Wladimir Klitschko mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejew vor einem Kampfpanzer Leopard 2 in der Panzertruppenschule im niedersächsischen Munster
Wladimir Klitschko mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejew vor einem Kampfpanzer Leopard 2 in der Panzertruppenschule im niedersächsischen Munsterdpa

Damals wurde auch Vitali Klitschko eingeladen. Bisher hat Kiews Bürgermeister nicht unterschrieben, über die Gründe ließe sich nur mutmaßen. Jedenfalls zerplatzte dieser Tage auch die letzte leise Hoffnung, Klitschko könnte vielleicht diesmal zum Spitzentreffen des Paktes nach Warschau kommen.

Der Ex-Boxer kam nicht, stattdessen der Bürgermeister von Butscha. Der Vorort von Kiew gelangte im vergangenen Frühjahr zu trauriger Berühmtheit, als dort nach dem Abzug der russischen Truppen fast 500 Leichen gefunden wurden. 419 von ihnen trugen Anzeichen dafür, dass sie erschossen, gefoltert oder erschlagen wurden.

Für Wegner klang der erste Abend in Warschau mit einem Empfang der Freistadtler auf einem Schiff aus der Weichsel aus.

Es bedurfte solcher Annehmlichkeiten sicher nicht, um Wegner von der Wichtigkeit guter Beziehungen zur Metropole im östlichen Nachbarland zu überzeugen. Ein Besuch Warschaus sei ihm ein persönliches Anliegen, sagt er. Und es sei auch nicht zufällig das Ziel seiner ersten Auslandsdienstreise.

Und das auch aus ganz aktuellem Anlass. Warschau sei nicht nur eine der wichtigsten Partnerstädte Berlins, so Wegner. „Die polnische Hauptstadt trägt eine unermessliche Verantwortung und leistet Großes, gerade mit Blick auf die Versorgung der Geflüchteten aus der Ukraine.“ Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Städten hätten eine enorme Bedeutung. „Mir ist ganz wichtig, diesen engen Austausch weiter zu pflegen – auch mit Blick auf die große polnische Community in Berlin“, sagt Wegner.

Kai Wegner will auch Istanbul besuchen

In diesem Zusammenhang passen auch weitere Reisepläne des Regierenden Bürgermeisters. Er wolle auch Istanbul besuchen, verlautete es am Rande des Warschau-Besuchs. Auch die größte Stadt der Türkei ist eine Partnerstadt Berlins, und der Satz mit der Community passt bei Istanbul mindestens so gut wie bei Warschau.

Und noch etwas verbindet Warschau und Istanbul aus Sicht Wegners. Polen und die Türkei werden derzeit von autoritären Parteien regiert, mit denen die Beziehungen Deutschlands derzeit nicht zum Besten stünden. In beiden Metropolen hingegen regieren liberale Politiker. Und diese wolle man mit einem Besuch auch, ja, stärken, hieß es.