Regierungsbildung

FDP-Politikerin: Brandenburg überholt Berlin und der Groko ist das leider egal

Der neue Senat dürfte einen Fehlstart hinlegen. Union und SPD haben bei trauter Gemeinsamkeit das Wichtigste vergessen: Woher das Geld kommt. Ein Gastbeitrag.

Macht die Groko wirklich Zukunftspolitik?
Macht die Groko wirklich Zukunftspolitik?Monika Skolimowska/dpa

Die Kritik an der Berliner Politik ist Legende. Der letzte Regierende Bürgermeister, der Glanz und Gloria an der Spree versprühte, mag Klaus Wowereit gewesen sein. Und trotz aller vermeintlichen Hippness und Gentrifizierung fehlte eine vorausschauende Wirtschaftspolitik. Die große Koalition, die jetzt gebildet werden soll, hat wenig überraschend keine Ideen für den wirtschaftlichen Wandel in der Stadt.

Fast unbemerkt hat sich in Brandenburg ein Strukturwandel vollzogen. Nicht nur Tesla zeigt, dass neue Arbeitsplätze in innovativen Branchen entstehen können. Auch München macht es vor: Dort investiert Apple in den nächsten Jahren Milliarden. Doch die große Koalition wird vom wirtschaftspolitischen Aufbruch, selbst im eigenen Brandenburger Umfeld, kaum berührt. Nur wird es die nächsten Jahre eben nicht reichen, auf Wachstum in Brandenburg zu setzen.

Start-ups werden es schwer haben

Risikokapital wird in der jetzigen, volatilen Situation knapper werden. Für die Berliner Gründerszene bedeutet dies, dass der neue Berliner Senat vorausschauend Weichen stellen muss. Wieso werden Gründungen in Berlin nicht durch eine Innovationsagentur betreut, die wenigstens dabei hilft, den bürokratischen Hindernislauf in der Stadt zu überleben? Wer aus dem Ausland nach Berlin zieht, scheitert schon oft bei der Anmeldung des Wohnsitzes. Und Wirtschaft und Politik müssten längst in den Dialog mit den innovativen Unternehmern von morgen getreten sein: Was braucht es genau für die Arbeitsplätze von morgen?

Union und SPD müssen auch die geplante Ausbildungsplatzabgabe einstampfen. Sie trifft vor allem kleine und mittelständische Unternehmen besonders hart. Statt alles zu tun, damit wirklich alle Ausbildungsberufe nachgefragt werden, werden künftig Unternehmen bestraft, wenn sie nicht ausbilden. Und dies, obwohl sie entweder gerne ausbilden würden, aber keine Bewerbungen erhalten. Oder aber zu viel in die Grundkenntnisse junger Menschen investieren müssen, die praktisch noch nicht ausbildungsreif von der Schule kommen.

Dr. Maren Jasper-Winter gehört der FDP an, die den Einzug ins Abgeordnetenhaus verpasste.
Dr. Maren Jasper-Winter gehört der FDP an, die den Einzug ins Abgeordnetenhaus verpasste.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Religionsunterricht statt MINT-Fächer

Statt ökonomische Bildung in Schulen zu stärken, kehrt künftig das Wahlpflichtfach Religion zurück. MINT-Förderung von Mädchen passt wohl auch nicht in das Weltbild der großen Koalition. Und das, obwohl der Anschluss an die MINT-Berufe für Frauen eine der ökonomischen Gleichstellungsfragen ist, Fachkräftemangel in diesen Bereichen entgegenwirkt.

Selbst Enteignungen sind nicht vom Tisch – die Entscheidung darüber wurde lediglich vertagt. Die Koalition plant ein Vergesellschaftungsrahmengesetz für den Fall, dass die Expertenkommission ein positives Urteil zur möglichen Umsetzung fällt. Mit diesem Wortungetüm würde man zwar noch keine Enteignungen auf den Weg bringen, aber die Rahmenbedingungen für die nächste Legislaturperiode schaffen. Hierdurch entsteht nur neue Unsicherheit, die Gift für Investitionen in der Hauptstadt sind.

Kein Wohnraum auf dem Tempelhofer Feld

Zumindest ist klar, wo keine neuen Wohnungen entstehen werden: auf dem Tempelhofer Feld. Von einer neuen Volksbefragung – wie es die CDU gerne gehabt hätte – ist im Koalitionsvertrag keine Rede. Lediglich im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs sollen die Möglichkeiten einer behutsamen Randbebauung ausgelotet werden. Dabei wissen wir alle, dass es an Ideen für das Tempelhofer Feld wahrlich nicht mangelt.

Metropolen sind oft der Motor von Veränderungen, Labore von positiven Entwicklungen für ganze Gesellschaften. Berlin hat Geist und Herz, packen wir es an.