Ich muss dringend zum Zahnarzt. Das war mir durchgerutscht wegen akuten Schmerzmangels. Um noch den diesjährigen Stempel ins Bonusheft zu kriegen, werde ich mich sofort um eine Dentaldurchsicht bewerben. Schließlich sind, laut Friedrich Merz, die Praxen durch 300.000 abgelehnte Asylbewerber okkupiert. Selbige „lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“.
Im Ernst, Karies hat bei Kassenpatienten weiterhin eher mit Mundhygiene als mit Migration zu tun. Ich glaube jedoch zu ahnen, worauf der CDU-Vorsitzende hinauswollte. Dass er solche wohlwollenden Exegesen braucht, ist übrigens seine Superspezialqualität. Der Mann drückt sich stets anders aus, als er es danach gemeint haben will. Er wäre ein unterhaltsamer Kanzler. Ich drücke die Daumen.
Also, Merz wollte wahrscheinlich äußern, dass sogar der sagenhafte deutsche Wunderwohlstand nicht reicht, um jedes Teilhabebegehren zu befriedigen. Mir gefällt die Deutung. Sie entspricht meiner Auffassung.
Politik und Medien sind sehr streng mit dem heißblütigen Sauerländer. Er spiele „die Schwächsten gegen die Schwachen“ aus, heißt es. „Die Mehrheit gegen eine Minderheit“. „Ausländer gegen Deutsche“. Das kann man so sehen; seine Tonlage war schrill und der Stomatologen-Kollaps weit hergeholt. Ergänzen möchte ich: Wenn Merzens Hirnhochdruck Schwache aufeinanderhetzt, dann schaffen das die praktischen Folgen einer entrückten Migrationspolitik erst recht, und zwar hoch zwo.
Ende Juni lebten 84,5 Millionen Menschen in Deutschland, vier Millionen mehr als zehn Jahre zuvor. Ein weit überproportionaler Teil der Hinzugekommenen bezieht Sozialleistungen. Die sogenannte Integration gestaltet sich dem Vernehmen nach anspruchsvoll. Gleichzeitig schrumpft das Bruttoinlandsprodukt. Dafür sind nicht Asylbewerber zuständig, sondern Landeslenker, die schon lange hier leben. Vielleicht war mein Mathelehrer ja eine Nulpe, aber mir scheint, wenn es unter immer mehr Empfängern immer weniger zu verteilen gibt, sind Missempfindungen nicht auszuschließen.
Seit Menschengedenken wird gepredigt, die Deutschen müssten lernen, ihren Reichtum zu teilen. Teilen macht Spaß. Das heißt, anfangs. Letztlich läuft es leider darauf hinaus, dass man, von der Moralrendite abgesehen, selbst Einbußen hat. Umso seltsamer wirkt, was der Erfurter Premier Bodo Ramelow jüngst zu seinen Genossen sprach: „Es braucht endlich ein Verständnis in unserer Gesellschaft, dass uns keiner der Menschen, die zu uns kommen, etwas wegnimmt.“


