Ich war acht Jahre alt, als Sowjetsoldaten am 30. April 1945 die Siegesfahne auf dem Berliner Reichstag hissten. Zu jung, um die Tragweite dieser Zeitenwende zu begreifen. Alt genug, um zu verstehen, dass der Krieg, der meinen Klassenkameraden und mir den Vater genommen hatte, vorbei war. Am 18. März, einen Tag vor meinem achten Geburtstag, wurde Kolberg (heute Kolobrzeg) von den Nazis befreit. Meine Mutter hatte mit mir meine Geburtsstadt zuvor verlassen.
Noch zogen Brandwolken über das Land, und Nazilügen hatten zu viele Hirne vergiftet. Trauer und Angst grassierten. Der Ruf „Die Russen kommen!“ barg irrsinnige Furcht vor Rache. Auch wenn wir das damals noch nicht wussten: 27 Millionen Sowjetbürger hatte Hitlers Raubkrieg das Leben gekostet. 1710 Städte und Dörfer waren in der UdSSR dem Erdboden gleichgemacht worden. Kein Land der Welt hatte mehr Opfer zu beklagen als die Sowjetunion.

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