In aller Regel profitieren Berufstätige in unserem System von solider Kompetenz und Leistung: Sie verdienen dann mehr, bekommen als Selbstständige auch den nächsten Auftrag, leiten bald ein Team. Die gewöhnliche Arbeitswelt „normaler“ Leute ist ein Leistungsmilieu.
Das Mittelmaßmilieu
Anders sieht es in den politischen Parteien und den ihnen angeschlossenen Denkpanzern (Thinktanks) aus. Dort kommen stetig formal sehr wenig qualifizierte, auch kaum kompetenzauffällige Persönlichkeiten ganz groß heraus, die allenfalls einen matten Glanz verbreiten.
Anders als im Leistungsmilieu der Wirtschaft ist eine abgebrochene Berufsausbildung, ein unfertiges Langzeitstudium, schlechtes Englisch und holterdiepolternde Rhetorik hier kein Problem. Denn zwei Gesetze bestimmen im Wesentlichen über das Fortkommen in den Parteien.
Sie lauten: 1. „Du musst mit jedem (wirklich jedem) gut Freund sein.“ 2. „Du darfst keine Meinung äußern, bevor die Mehrheitsmeinung deines Freundesnetzwerks dir nicht bekannt ist.“ Die Befolgung dieser Regeln erschafft ein Mittelmaßmilieu.
Aufstellung ist Netzwerksache
Wir wählen zwar die Politiker – aber erst nachdem die wenigen Funktionäre unter den 1,4 Prozent der Bevölkerung, die Mitglieder der Bundestagsparteien sind, ihre Personalauswahl für uns zur Wahl aufgestellt haben.
Deshalb schmeichelt sich (Gesetz 1 folgend) in den Parteien jeder Aufstiegswillige vorsichtshalber bei allen wahllos ein – denn jeder könnte mit jedem „verbandelt“ sein. Und deshalb sagt (Gesetz 2 folgend) niemand, der etwas werden will, in der Partei sorglos seine Meinung – denn man weiß nie, wie das eigene Netzwerk eine Sache sieht. Unvorsichtige Diskutanten spalten das Netzwerk, von dem sie sich doch aufstellen lassen wollen.
Folglich bleibt das inhaltliche Niveau der Diskussion in Parteien systembedingt weit unter dem informierter Bürger in der Küche und auf ihren Spaziergängen zurück.
Die Parteien-Demokratie
Das aber verschreckt Menschen, die aus einem Leistungsmilieu kommen, in dem Netzwerken und Nettsein allein für den Aufstieg nicht ausreichen. Neueste, gar noch praxiserprobte Kenntnisse und Fähigkeiten aus Wirtschaft und Forschung sind in den Parteien deshalb kaum vertreten. Die beliebig anmutenden Querverschiebungen von Politikern von einem Ministeramt in ein ganz anderes sprechen dazu Bände.
Aufwärtsselektion und Abwärtsprotektion des Mittelmaßes sind die Bewegungsgesetze des Personals in Parteien: Nach oben kommt, wer leidlich beliebt, inhaltlich weich und für die Mächtigen erkennbar harmlos ist. Wer oben ist, protegiert unter sich Personal, das die eigene Position nicht gefährden kann. „Ein schwacher Chef stellt noch schwächere Leute ein“, so weiß man in der Wirtschaft.
Und fertig ist die Parteien-Demokratie, in der vor allem Parteien mit ihrer internen Logik und erst in zweiter Linie Menschen repräsentiert sind. Deshalb sind zum Beispiel Betrug (in Berlin sogar wiederholter Betrug) bei Publikationen, offene Interessenkonflikte und Korruptionsaffären keine Karrierehindernisse in Parteien: Die Armseligkeit mancher Akteure stört das Netzwerkspiel der Kandidatenkür nicht und schafft noch dazu Optionen, Mitbewerber öffentlich (nicht aber parteiintern) zu diskreditieren.
Die gesamtdeutsche Wende
Wer klare Wertvorstellungen vertritt und sachkompetent ist, scheidet bei der Aufwärtsselektion des Mittelmaßes in unseren Parteien schnell aus. Deshalb sollten sich selbst genügende Parteiapparate im Rahmen einer Verfassungsreform an Einfluss verlieren.
Die Bürger müssen viel öfter direkt selbst und für alle bindend abstimmen und ihre Abgeordneten direkt wählen. Die Hinterzimmer-Landeslisten der Parteien, über die eine netzwerkende Funktionärsschicht sich an die Regierung schleicht, müssen weg.


