Essay

Die Grünen im Osten: Wer Krieg, Aufrüstung und soziale Spaltung mitträgt, kann hier nicht gewinnen

Unser Autor ist Ostdeutscher und Umweltaktivist. Die Grünen mag er trotzdem nicht unterstützen. Ein Gastbeitrag.

Fotoillustration: Amini und Pajović/Berliner Zeitung am Wochenende. Foto: Unsplash

Ich war 19. Nicht nur klingt das pathetisch, das ist auch der Titel eines Defa-Films von Konrad Wolf, der zwei Jahre vor meiner Geburt entstand. Ein Film über Heimkehr, über das Ankommen in einem Land, das sich nach einem Krieg neu erfinden wollte. Als ich selbst 19 war, gab es diese DDR nicht mehr. Westdeutschland hatte sie sich zurückgeholt, und ich stand – wie viele – vor der Frage: Was nun?

Heute, Jahrzehnte später, höre ich im Radio, dass in Berlin des 64. Jahrestages der Errichtung der Mauer gedacht wird. In Brandenburg spricht dazu Maria Nooke, Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Ehefrau des CDU-Politikers Günther Nooke, einem jener bürgerrechtlichen Zeitenwendegewinner, die im vereinten Deutschland ihren Platz gefunden haben. Viele von uns ahnen inzwischen, dass dieser „antifaschistische Schutzwall“ nicht nur Propaganda war. Er hatte seine hässlichen Seiten – und vielleicht auch eine, die vor etwas schützte, das heute wieder bedrohlich wirkt.

Nun also wollen die Grünen „Ostdeutschland zurückgewinnen“. Eine 17-köpfige Kommission soll das bewerkstelligen. Die Zusammensetzung wirkt, freundlich gesagt, vorhersehbar: ein Who’s who der kirchlich geprägten Bürgerrechtler und DDR-Dissidenten, ergänzt um einige altbekannte Ost-Namen – darunter Marianne Birthler, Katrin Göring-Eckardt, der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, mit dem ich selbst einmal in einer heftigen Social-Media-Debatte aneinandergeriet. Diese Besetzung steht weniger für einen neuen Blick auf den Osten als für die Fortsetzung jener DDR-Deutung, die seit 1990 dominiert.

Berliner Zeitung

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