Ja, es ist notwendig, Uniper und andere Gaseinkäufer zu retten. Denn ohne Gas schmiert die Wirtschaft ab. Weil FDP-Finanzminister Christian Lindner aber die einfachste Lösung, nämlich die Gaseinkäufer aus der Staatskasse zu retten, blockiert, stolpert die Ampel über ihre eigenen Füße. Erst verkündet Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) die Gasumlage. Alle Gaskunden müssen ab Oktober 2,4 Cent mehr pro Kilowattstunde zahlen – egal, welchen Vertrag sie haben. Auch Betriebe. Etwa der Bäcker, die Wäscherei, die Papierfabrik und auch der Stromversorger. 34 Milliarden soll die Umlage für die blanken Gasimporteure aufbringen. Rund zehn Milliarden kommen von den privaten Haushalten, 24 Milliarden von den Betrieben.
Die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent runter?
Dann die Hiobsbotschaft von Lindner: Obendrauf kommt auch noch Mehrwertsteuer. So sieht es das EU-Recht vor. Lindner liefert noch eine PR-Show und fragt bei der EU-Kommission, ob sie keine Ausnahme machen könnten. Die Antwort lautet: Gesetz ist Gesetz, auch für Deutschland. Die Steuer macht die Umlage noch teurer. Das wusste Lindner schon vorher, wollte aber die Schuldkarte nach Brüssel schicken. Am Donnerstag trat dann Kanzler Scholz für ein nicht mal zweiminütiges Statement vor die Presse und verkündet: Solange es die Umlage gibt, soll die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent runter. „Mit diesem Schritt entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker als die Mehrbelastung, die durch die Gasumlage entsteht“, so der Kanzler. Aber stimmt das?
So groß wäre die „Ersparnis“ mit Scholz’ Mildmädchenrechnung
Wie stark Gaskunden von der Steuersenkung profitieren könnten, hängt von ihrem Vertrag ab. Je teurer der Vertrag, desto größer wäre die Entlastung. Wer heute einen Vertrag über schwindelerregende 30 Cent pro Kilowattstunde abschließen muss, würde mit Umlage ab Oktober 32,6 Cent bezahlen, dafür aber durch die Steuersenkung rund 3,3 Cent sparen und unterm Strich dann 29,3 Cent pro Kilowattstunde zahlen, also lächerliche 0,7 Cent Ersparnis pro Kilowattstunde. Macht bei einem typischen Jahresverbrauch von 10.000 Kilowattstunden ein Minus von 70 Euro.
Verbraucher mit alten Gasverträgen über sechs Cent pro Kilowattstunde würden zuzüglich Gasumlage 8,6 Cent zahlen, durch die Steuersenkung aber 0,9 Cent sparen und am Ende 7,7 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Also 1,7 Cent mehr als ohne Umlage und Steuersenkung. Macht bei einem typischen Jahresverbrauch von 10.000 Kilowattstunden ein Plus von 170 Euro. Erst ab Vertragspreisen von circa 22 Cent pro Kilowattstunde spart man durch die Steuersenkung. Das sind aber ohnehin nur Kleckerbeträge im Vergleich zur drei bis sechs Mal teureren Heizkostenabrechnung!
An den Betrieben läuft die Steuersenkung vorbei, da die Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten ist. Es wäre aber naiv zu glauben, die Firmen blieben auf den 24 Milliarden Gasumlage sitzen. Wo möglich, wird die Umlage wie alle anderen Kosten auf die Preise überwälzt – und damit am Ende auch von den Verbrauchern bezahlt. Ein neuer Schub für die Inflation.
Federstrich statt Bürokratiemonster
Wie viele Menschen müssen sich jetzt über die Umlage aufregen, wie viele hunderte Firmen den Steuersatz unterjährig in der Buchhaltung ändern, wie viele tausende Buchhalter Rechnungen korrigieren, wie viele tausende Steuerberater Stunden damit zubringen? Die Ampel hat ein Bürokratiemonster geboren. Sie hätte die Umlage auch einfach aus dem Bundeshaushalt bezahlen können. Per Federstrich! Die Schuldenbremse ist noch ausgesetzt, Lindner hätte die Milliarden einfach mit einem Nachtragshaushalt auf den Weg bringen können. Oder warum nicht ein „Sondervermögen Energiesicherheit“, das wie die 100 Bundeswehrmilliarden von der Schuldenbremse ausgenommen wird? Das hätte so viele Nerven wie Geldbeutel geschont – und unnütze Bürokratie vermieden.
Wie teuer soll es denn noch werden?
„Gießkanne“, meckern einige. Dabei würden doch gezielt die Gaskunden entlastet werden, die die höchsten Preise tragen. Transfers wären noch mehr Bürokratie, andere Steuersenkungen nichts für Gaskunden. „Fatales Signal“, wettert der Energieökonom Volker Quaschning. „Besser wäre, Preise wirken zu lassen, um zum Sparen anzureizen“, so der Grünen-Landesfinanzminister Danyal Bayaz und Hans-Werner Sinn. Man fragt sich: Wie teuer soll es denn noch werden? Die meisten Mieter haben kaum noch Möglichkeiten zum Sparen, und die Vermieter und Eigenheimbesitzer finden kaum Handwerker, um die Gasheizung zu ersetzen. Den Anreiz, den gerade Grüne sich wünschen, ist längst schon ausgereizt. Wer die Preise weiter explodieren sehen will, unterschätzt den sozialen Sprengstoff.


