Die Zeiten haben sich geändert beim RBB – und das nicht erst seit der endgültigen Abberufung von Intendantin Patricia Schlesinger am Montagabend. Der Skandal um Verschwendung, mögliche Untreue bis hin zum Verdacht der Vorteilsnahme hat auch bei einigen Spitzenkräften im Sender offenbar Spuren hinterlassen. Vor vier Wochen hatten Schlesinger und ihre Leute dem Brandenburger Landtag und seinen Aufsichts- und Aufklärungsversuchen die kalte Schulter gezeigt und eine Einladung nach Potsdam in den Wind geschlagen. Diesmal gab es kein Wegducken. Und die Abgeordneten des Hauptausschusses zur RBB-Affäre erlebten Gäste in einem Modus zwischen Zerknirschtheit und zumindest verbalem Aufklärungswillen.
Schlesingers Interimsnachfolger Hagen Brandstäter stellte sich am Dienstagvormittag den Ermittlern des brandenburgischen Landesparlaments, das derzeit die Rechtsaufsicht über den RBB innehat – ebenso die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach und die amtierende Verwaltungsratschefin Dorette König. RBB-Personalratsvorsitzende Sabine Jauer komplettierte das Senderquartett.
Tenor: Man sei von den Vorwürfen überrascht worden, habe von einer vermeintlich luxuriös-dekadenten Amtsführung Schlesingers nicht gewusst, ja habe nicht einmal davon wissen können. Jetzt aber arbeite man „intensiv an der Aufklärung“, einige seit sieben Wochen in Sieben- Tage-Wochen, vor allem die ehrenamtlichen Mitglieder des Rundfunkrats am Rande latenter und permanenter Überforderung.
Einzig Arbeitnehmervertreterin Jauer fand klare kritische Worte über die geschasste Ex-Intendantin Patricia Schlesinger. Auch Jauer sprach von einer „sehr aufwühlenden Situation“, die „die Grenzen all dessen übersteigt, womit sich der Personalrat bisher je beschäftigt“ habe. Und sie berichtete davon, dass sie einst einen durchaus guten Draht zur Senderspitze gehabt habe, dieser habe sich in den vergangenen Monaten, als die ersten kritischen Fragen auftauchten, jedoch verschlechtert. „Ich hatte den Eindruck, dass wir zu Frau Schlesinger nicht mehr durchgedrungen sind“, so Jauer.
RBB-Skandal: Als sich die Kritik häufte, drang der Personalrat nicht mehr zur Intendantin durch
Einen geradezu bizarren Auftritt hatte dagegen Hagen Brandstäter, bis vor Kurzem Verwaltungsdirektor und seit Montag auch kommissarischer Intendant des Senders. Der 67-Jährige, dessen Abschied im nächsten Jahr bereits feststeht, las im leiernden Ton einen Text ab, in dem viel vom „gemeinsamen Schiff RBB in wogender See“, einem „sicheren Hafen“, den es anzusteuern gelte, und einem neuen Intendanten, der entscheiden müsse, „wer auf der Brücke steht“, die Rede war.
Gleichzeitig bemühte er sich um die Ehrenrettung des Senders und seiner Aufsichtsgremien, die seit Monaten in der Kritik stehen, weil sie den laxen Umgang mit Rundfunkgebühren nicht nur nicht verhindert, sondern in manchen Fällen sogar forciert haben. „Ich halte den RBB für ein sehr stark kontrolliertes Unternehmen“, sagte Brandstäter und nannte hauseigene Regelwerke, Gesetze sowie regelmäßige Überprüfungen der Rechnungshöfe der Bundesländer Berlin und Brandenburg.
Von 65 auf 185 Millionen Euro. Die Kosten für das neue Medienhaus sind explodiert
Eine besondere Rolle spielten die Vorgänge um ein geplantes digitales Medienhaus am Senderstandort in Neu-Westend in Berlin. Nachdem der Sender zwei Jahre lang öffentlich zu den Baukosten schwieg, explodieren seit einigen Wochen die Zahlen. Aus ursprünglich 65 Millionen Euro ist das Doppelte geworden, wie der RBB nun zugibt. Am Dienstag war mehrfach sogar von 185 Millionen Euro die Rede. Als die Vorwürfe der Verschwendung und Vetternwirtschaft gegen Patricia Schlesinger und den bisherigen Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf, den langjährigen Chef des RBB-Verwaltungsrats, immer lauter wurden, legte der Sender den Bau auf Eis. Alle Arbeiten daran sollen ruhen.
Dennoch, so Brandstäter, müsse er protestieren, wenn nun von „Protzbau, Millionengrab und dubiosen Beraterverträgen“ geschrieben werde. Der Sender stehe vor der Aufgabe, die organisatorischen und technischen Voraussetzungen zu schaffen, um für dasselbe Geld mehr passgenaues Programm für mehr Zielgruppen zu bieten, sagte er. Dafür sei das Medienhaus geplant.
Das Geld für den Neubau, so der Verwaltungsdirektor, solle zudem nicht aus dem Gebührenaufkommen für den Regeletat bestritten, sondern per Bankkredit organisiert werden. Das bedeute, dass man nicht bei Programm oder Personal spare, um das Haus bauen zu lassen. Das bedeute aber auch, dass das dafür eingeplante Geld nicht ins Programm fließen könne, falls das Medienhaus nicht gebaut werde. Dies sei bei Kreditmitteln laut Staatsvertrag ausgeschlossen.
Dennoch steht das Medienhaus offenbar mehr denn je auf der Kippe – erst recht angesichts eines Sanierungsbedarfs von mehr als 70 Millionen Euro in Bestandsgebäuden, um akzeptable Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu gewährleisten, wie es hieß. Ob bei der bisherigen Vergabe und Planung alles korrekt gelaufen sei, werde geprüft, so Brandstäter.
Könnte sein, dass der Neubau schon jetzt nicht mehr durchsetzbar ist. So sagte Wolfs amtierende Nachfolgerin Dorette König, ihr Gremium habe von möglichen Kosten von 185 Millionen Euro nichts gewusst. „Wir haben schon die 125 Millionen Euro sehr kritisch kommentiert und fehlende Transparenz beklagt, den 185 Millionen Euro hätten wir nicht zugestimmt“, sagte König.
Streit um Vertragsauflösung für Schlesinger: Fristlose Kündigung ist möglich. Gewerkschaft ist gegen Abfindung
Auch die kräftige Gehaltserhöhung Schlesingers um 16 Prozent auf 303.000 Euro plus bislang nicht veröffentlichte Boni verschwindet nicht aus den Negativschlagzeilen. Der Sender hält das Bonus-System bislang unter Verschluss. Ja, man gibt ihm sogar einen Namen und spricht von „variablen Gehaltsanteilen“, wie Verwaltungsdirektor Brandstäter ausführte.
Am 30. August will der RBB-Verwaltungsrat darüber beraten, wie die Trennung von Schlesinger ausgestaltet werden könnte. Auch eine fristlose Kündigung sei nicht auszuschließen, so König.


