Ukraine und Russland

Das war der erste Tag der Ukraine-Gespräche in Berlin: Kiew sucht den Kompromiss

Friedensgespräche in Deutschland: Ukraine-Präsident trifft Trump-Unterhändler und signalisiert Bewegung bei zentraler Forderung. Was wird am Montag geschehen?

Bei den Gesprächen am heutigen Sonntag im Kanzleramt.
Bei den Gesprächen am heutigen Sonntag im Kanzleramt.IMAGO/Handout Bundesregierung/Guido Bergmann/dts Nachrichtenagentur

„Ich bin bereits in Deutschland", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst X. Zu diesem Zeitpunkt dachten viele Beobachter, er werde erst am Montag in die deutsche Kapitale kommen. Selenskyj stellte klar: „Wir konzentrieren uns darauf, wie wir die Sicherheit der Ukraine zuverlässig garantieren können, damit sich die Erfahrung des Budapester Memorandums und der russischen Invasion niemals wiederholt." Er setze auf konstruktive Gespräche.

Die Berliner Zeitung berichtete am Sonntag stetig über das Geschehen.

Bei dem Treffen in der deutschen Hauptstadt verhandelte Selenskyj mit Steve Witkoff, dem Sondergesandten von US-Präsident Donald Trump, sowie mit Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn.

Beide standen in den vergangenen drei Wochen mit ukrainischen Vertretern, europäischen Staats- und Regierungschefs sowie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Kontakt – ein Vorgehen, dass für deutsche politische Akteure undenkbar wäre.

Berliner Polizei vor dem Hotel Adlon am Brandenburger Tor. Hier ist US-Delegation untergekommen.
Berliner Polizei vor dem Hotel Adlon am Brandenburger Tor. Hier ist US-Delegation untergekommen.Anne-Kattrin Palmer/ Berliner Zeitung

„Das Wichtigste ist meiner Ansicht nach, dass der Plan so fair wie möglich ist – in erster Linie für die Ukraine, weil Russland diesen Krieg begonnen hat", zitierte die New York Times Selenskyj vor den Gesprächen. „Und vor allem muss er umsetzbar sein. Der Plan sollte wirklich nicht nur ein Stück Papier sein, sondern ein sinnvoller Schritt zur Beendigung des Krieges."

Wer hat sich die russische Regierung am Sonntag bedeckt hielt, zeigte sich ein russischer Oppositioneller, der Namen sich nicht genannt werden wollte, gegenüber der Berliner Zeitung abgeklärt: „Die Amerikaner kümmerten sich nicht wirklich um die Ukraine – und schon gar nicht um Selenskyj –, wollten aber aufrichtig Frieden“, schrieb er. Deutschland hingegen sei ein Verbündeter der Ukraine: „Wenn die USA und Deutschland bei einer Lösung zusammenarbeiten und von abstrakten Parolen zu Realpolitik übergehen würden, könnte dies ein wirksames Duo werden.“

Selenskyj rückt von Nato-Forderung ab

Der ukrainische Präsident machte indes deutlich, dass sein Land bei bestimmten Punkten zu Kompromissen bereit sei. Er bekräftigte, die Ukraine würde auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten – sofern sie im Gegenzug starke Sicherheitsgarantien der Vereinigten Staaten erhält, die einen erneuten russischen Angriff nach einem Friedensabkommen verhindern sollen.

„Von Anfang an war die Nato-Mitgliedschaft unsere Bedingung – oder genauer gesagt, unser Ziel", erklärte Selenskyj. „Das hätte echte Sicherheitsgarantien gebracht." Bis zur Wahl Trumps sei die Ukraine auf dem Weg zu einer eventuellen Nato-Mitgliedschaft gewesen, obwohl auch einige europäische Mitglieder Vorbehalte hatten.

Kampf um Territorium am Verhandlungstisch

Gleichzeitig wiederholte Selenskyj, dass die Ukraine kein Territorium abtreten wolle, das sie derzeit kontrolliert – wie es die Trump-Regierung vorgeschlagen hat. Details zu den vorgeschlagenen US-Sicherheitsgarantien erwarte er jederzeit während der Verhandlungen an Sonntag oder Montag.

Die Kluft zwischen der US-amerikanischen und der ukrainischen Seite bleibt groß. Der aktuelle US-Entwurf drängt die Ukraine, Land im Osten des Landes „gegen Frieden“ einzutauschen, einschließlich der Gebiete in der Region Donezk, die Kiew noch kontrolliert.

Keien Nato-Mitgliedschaft – jetzt oder dauerhaft?

Zudem sollen die Ukrainer auf eine Nato-Mitgliedschaft dauerhaft verzichten. Von ukrainischer Seite ist an dieser Stelle allerdings von einem „einstweiligen“ Verzicht die Rede. Um seine Position zu verdeutlichen, plant Washington die Einrichtung einer „freien Wirtschaftszone“, die als Pufferzone zwischen ukrainischem Territorium und den von Russland kontrollierten Gebieten dienen soll.

Am Mittwoch hatte die Ukraine ihren entsprechenden Friedensplan an die USA übermittelt. Dieser sieht vor, kein derzeit kontrolliertes Land abzutreten. Der Plan legt fest, dass jede Entscheidung über Gebietsabtretungen einer Volksabstimmung bedarf.

Wird die Kampflinie zur Demarkationslinie?

„Eine faire und praktikable Option ist: Wir stehen, wo wir stehen", sagte Selenskyj zur Möglichkeit eines Waffenstillstands entlang der aktuellen Frontlinie. Skeptisch äußerte er sich jedoch zur „freien Wirtschaftszone": Ukrainische Truppen müssten sich aus diesem Gebiet zurückziehen, das wichtige Städte wie Kramatorsk und Slowjansk umfasst. Warum russische Truppen sich nicht aus einigen von ihnen gehaltenen Gebieten zurückziehen müssten, bleibe eine unbeantwortete und äußerst heikle Frage.

Bislang gibt es keine Anzeichen, dass Putin einem Friedensplan zustimmen wird. Er scheint sich eines russischen Sieges sicher. Auch während der Friedensgespräche setzt Russland seine Angriffe auf die ukrainische Stromversorgung fort und rückt langsam an der ukrainischen Ostfront vor.

Wie reagiert Moskau nun?

Selenskyj zeigte sich dennoch überzeugt, dass die USA Putin zu einem Abkommen bewegen könnten: „Wenn die Vereinigten Staaten diesen Krieg wirklich beenden wollen – wie sie es derzeit auf höchster Ebene demonstrieren –, werden die Russen Kompromisse eingehen müssen."

Am Montag trifft Selenskyj europäische Spitzenpolitiker und nimmt am Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum mit Bundeskanzler Friedrich Merz teil. Später in der Woche stimmt die EU darüber ab, ob ein Teil der in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerte als Kredit für die Ukraine in den Jahren 2026 und 2027 verwendet werden soll – ein Ansinnen, das nach wie vor auch die EU spaltet.