Stiftungen

Vorbild Attac: AfD will Amadeu-Antonio-Stiftung Gemeinnützigkeit aberkennen lassen

Ein AfD-Politiker sagt, die Amadeu-Antonio-Stiftung benachteilige seine Partei. Die linke Stiftung widerspricht.

Die AfD sieht sich von der Amadeu-Antonio-Stiftung benachteiligt.
Die AfD sieht sich von der Amadeu-Antonio-Stiftung benachteiligt.imago

Der stellvertretende AfD-Chef in Brandenburg, René Springer, will der Amadeu-Antonio-Stiftung die Gemeinnützigkeit streitig machen – und hat dafür ein Schreiben beim Finanzamt in Berlin eingereicht. Das Dokument liegt der Berliner Zeitung vor. Zur Begründung heißt es, die AfD werde von der Stiftung „als einzige politische Partei unverhältnismäßig oft (...) abgewertet, diffamiert“.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat sich unter anderem der Jugendarbeit verschrieben, sie fördert zivilgesellschaftliche Projekte gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus. Nach Informationen der Berliner Zeitung wurde das Schreiben vergangene Woche an das Finanzamt für Körperschaften I gesendet.

Darin bezieht sich der AfD-Bundestagsabgeordnete auf Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH). Im Jahr 2019 hatte das Gericht dem Trägerverein des globalisierungskritischen Netzwerks Attac wegen tagespolitischem Aktivismus die Gemeinnützigkeit aberkannt. Zur Begründung hieß es, Attac versuche die politische Meinung zu beeinflussen. In einem anderen Beschluss betonte der BFH, dass sich gemeinnützige Körperschaften „parteipolitisch neutral“ verhalten müssten.

Aberkennung der Gemeinnützigkeit hat finanzielle Konsequenzen

Hier knüpft der AfD-Politiker an: Zwar dürften derartige Stiftungen eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung betreiben. Auch könnten sie sich im Rahmen ihres steuerbegünstigten Zwecks gelegentlich zu aktuellen politischen Themen äußern. Entscheidend sei aber, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit werde.

Die Gemeinnützigkeit sei zu versagen, so Springer, „wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt ist oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt“.

Der AfD-Politiker sieht Letzteres erfüllt: Die Amadeu-Antonio-Stiftung nehme über soziale Medien und andere Kanäle gezielt Einfluss auf die politische Willensbildung. Sie verfolge „tatsächlich überwiegend den politischen Zweck, die AfD mit ihren öffentlichen Beiträgen zu diskreditieren, ihr ein schlechtes Image anzuheften und damit bei dem potentiellen Wähler in Misskredit zu bringen“.

Der Entzug der Gemeinnützigkeit hat vor allem finanzielle Konsequenzen. So können Unterstützer ihre Spenden anschließend nicht mehr steuerlich absetzen. Auch verliert eine Organisation selbst Steuervorteile, staatliche Fördermittel können entfallen. Auf ihrer Homepage verweist die Amadeu-Antonio-Stiftung auf einen Freistellungsbescheid, wonach sie Jugendhilfe, Erziehung, Volks- und Berufsbildung sowie „internationale Gesinnung“, „Toleranz auf allen Gebieten der Kultur“ und den „Völkerverständigungsgedanken“ fördert.

AfD-Politiker: Amadeu-Antonio-Stiftung agitiert gegen die Partei

In seinem Schreiben hat der AfD-Bundestagsabgeordnete mehrere „Beweise“ aufgelistet, die der Gemeinnützigkeit angeblich widersprechen. Darunter sind rund drei Dutzend Facebook-Beiträge der Amadeu-Antonio-Stiftung. Der älteste Post stammt aus dem November 2021.

Einer der Beiträge bezieht sich auf einen Antrag der Thüringer CDU-Fraktion, für den auch die AfD ihre Zustimmung signalisiert hatte. Die Amadeu-Antonio-Stiftung schrieb dazu, dass man mit der AfD nicht zusammenarbeite. In einem anderen Post bildete die Stiftung die AfD-Politiker Alice Weidel und Alexander Gauland neben Neonazis ab. Zum zehnjährigen Jubiläum schrieb sie, bei der AfD handle es sich um eine „moderne rechtsextreme Partei“.

Weiterhin verweist Springer unter anderem auf eine Handreichung, die von der Amadeu-Antonio-Stiftung im Jahr 2017 veröffentlicht wurde. Sie trägt den Titel „Positionieren. Konfrontieren. Streiten. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD.“ Auch habe die Stiftung bereits eine Demonstration gegen die AfD in Berlin unterstützt.

„Es kann nicht sein, dass eine Stiftung steuerlich privilegiert wird und trotzdem gezielt gegen eine Partei agitiert“, sagt der Abgeordnete Springer der Berliner Zeitung. Auch gebe es kein letztinstanzliches Gerichtsurteil zur Einstufung der AfD. Während der Verfassungsschutz den thüringischen Landesverband als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuft hat, wird die Bundespartei als „Verdachtsfall“ geführt. „Es ist nicht Aufgabe der Amadeu-Antonio-Stiftung, eine solche Einstufung vorzunehmen“, sagt Springer.

Stiftung: AfD ist parlamentarischer Arm der Rechtsextremen in Deutschland

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hatte erst kürzlich auf eine Studie verwiesen, wonach sich Tausende Organisationen weniger politisch engagierten – aus Angst, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. „Die Amadeu-Antonio-Stiftung ist als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt“, sagt der Geschäftsführer der Stiftung, Timo Reinfrank, der Berliner Zeitung. „Sofern die Stiftung Zuwendungen von staatlicher Seite erhält, werden diese nur im Rahmen des jeweiligen Zuwendungsbescheides verwendet.“ Auch unterliege sie als staatlich geförderte Organisation keiner unmittelbaren Neutralitätspflicht.

„Wir haben immer wieder auf die gefährliche Entwicklung wie die andauernde Verharmlosung des Nationalsozialismus, die fehlende Abgrenzung zum organisierten Rechtsextremismus, Hass und Hetze und die weitere Radikalisierung der AfD hingewiesen“, sagt Reinfrank. Also sei die Einschätzung, dass die AfD aus Sicht der Stiftung eine Bedrohung für die Demokratie sei, nicht überraschend. „Die Partei ist durch ihre Mitglieder zum parlamentarischen Arm der Rechtsextremen in Deutschland geworden.“

Außerdem, so Reinfrank, kritisiere die Amadeu-Antonio-Stiftung auch andere Parteien. So etwa die CDU in Bezug auf die Bundestagskandidatur des früheren Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen oder die FDP in Thüringen, nachdem sich deren Parteichef Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten hatte wählen lassen.

Die Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern. Sie beruft sich auf das Steuergeheimnis.

Nach Attac hatte im Jahr 2019 auch die Kampagnenorganisation Campact ihren Status als gemeinnützig verloren. Das Beispiel zeigt, wie finanziell schmerzhaft derartige Entscheidungen sein können: Laut eigenen Angaben musste der Verein für die zurückliegenden Jahre rund 300.000 Euro Schenkungssteuer nachzahlen.