Nachhaltig leben

Zurück zum Ursprung: Eine Lavation ist die nachhaltigste Form der Bestattung

Erd- oder Feuerbestattung? Beides belastet die Umwelt sehr. Nun versucht ein Bestatter eine nachhaltige Form der Bestattung aus den USA in Deutschland zu etablieren, die sich Lavation nennt.

Bei einer Lavation wird der Körper des toten Menschen mittels eine alkalischen Hydrolyse zersetzt.
Bei einer Lavation wird der Körper des toten Menschen mittels eine alkalischen Hydrolyse zersetzt.Roshanak Amini für die Berliner Zeitung am Wochenende

Feuerbestattungen werden immer beliebter, doch auch die Alternative zur klassischen Erdbestattung belastet die Umwelt sehr. Nun versucht ein Krematorium in Schwäbisch-Hall eine andere und umweltfreundliche Art der Bestattung, die so genannte Lavation, in Deutschland zu etablieren. Wir haben mit den Betreibern Sandra und Jochen Lutz gesprochen.

Frau Lutz, Herr Lutz: Warum brauchen wir alternative Formen der Bestattung?

Sandra Lutz: Wir werden sehr oft von Menschen gefragt, welche Möglichkeiten der Bestattung es überhaupt gibt und welche Art der Bestattung wir als Menschen vom Fach denn eigentlich favorisieren würden. Mein Mann möchte beispielsweise eine Feuerbestattung und ich möchte auf gar keinen Fall eine Erdbestattung. Eine Feuerbestattung fühlt sich für mich persönlich auch nicht richtig an. Die Frage nach Alternativen treibt uns also schon eine ganze Zeit um und unsere Recherchen dazu haben uns auf die alkalische Hydrolyse stoßen lassen, ein Verfahren, dass in den Vereinigten Staaten schon lange angewandt wird.

Jochen Lutz: Zudem spielte das Thema der Umweltbelastung mittlerweile auch für uns eine große Rolle, denn die Umweltbelastung ist bei den traditionellen Erd- und Feuerbestattungen sehr hoch.

Hat denn der Wunsch nach alternativen Bestattungen auch damit zu tun, dass die deutschen Friedhöfe ausgelastet sind?

Jochen Lutz: In Großstädten mag das zutreffen, in unserer ländlichen Region ist dem nicht so. In Schwäbisch Hall sind die Friedhöfe so groß, dass man sogar Solarfelder darauf installiert. Dadurch, dass die Feuerbestattung in den vergangenen Jahren stark auf dem Vormarsch ist, hat sich die Lage auf den Friedhöfen in vielen Städten aber auch wieder entspannt: Eine Urnenbeisetzung braucht nicht so viel Platz.

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Biografie
Jochen Lutz 1972 in Schwäbisch Hall geboren,  arbeitet seit 2003 selbstständig als geschäftsführender Gesellschafter u.a. von Human- sowie Haustier- und Pferdekrematorien. Im Jahr 2017 wurden die ersten eigenen Einäscherungsanlagen entwickelt und gebaut sowie das erste Pferdekrematorium Deutschlands eröffnet. Seit 2020 arbeitet er an der Entwicklung und Erforschung der alkalischen Hydrolyse in Zusammenhang mit der Einführung der Aquamation für verstorbene Haustiere sowie der Lavation für verstorbene Menschen.

Sandra Lutz ist 1976 in Schwäbisch Hall geboren. Nach der kaufmännischen Ausbildung machte sie sich früh selbstständig. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin des Humankrematoriums, Haustier- und Pferdekrematoriums in Schwäbisch Hall sowie des Pferdekrematoriums in Niedersachsen. Ebenso betreibt Sie das Hotel smartino in Schwäbisch Hall.

Das Paar ist seit 25 Jahren verheiratet und hat drei Söhne.

Warum ist die klassische Erdbestattung so unbeliebt geworden?

Sandra Lutz: Das hat hauptsächlich mit der finanziellen Komponente zu tun, vor allen Dingen mit den Folgekosten zu tun, von der Arbeit, die man mit einer Grabpflege hat, ganz zu schweigen. Im Sommer beispielsweise muss ein Grab mehrmals in der Woche gegossen werden, aber wer hat dafür heutzutage noch Zeit? Die Lebensentwürfe haben sich verändert, die Kinder ziehen weg und dann muss die Grabpflege organisiert werden. Die Kosten dafür sind horrend, da ist eine Feuerbestattung wesentlich günstiger und es entstehen dabei ja auch keine Folgekosten, abgesehen von der Urne und der Beisetzung.

Was kostet eine Feuerbestattung?

Jochen Lutz: Bei uns sind das zwischen 550 und 600 Euro, das umfasst die komplette Kremierung, Sarg und Urne kommen natürlich noch hinzu, denn in Baden-Württemberg ist der Sarg auch bei einer Feuerbestattung Pflicht. Das hat mit technischen und hygienischen Begebenheiten zu tun: Der Verstorbene muss in einem Behältnis, also dem Sarg, in den Verbrennungsofen eingefahren werden. Das klingt etwas Morbide, hat aber ganz pragmatische Gründe.

Sie wollen bundesweit als erstes Krematorium nun eine alternative Bestattungsform anbieten, die sogenannte Lavation. Was ist das?

Jochen Lutz: Die Lavation funktioniert nach dem Prinzip der alkalischen Hydrolyse. Dabei wird der Leichnam durch die Einwirkung einer Lauge hydrolysiert, also aufgelöst. Der Körper wird bei uns in ein Lavarium gelegt und mit warmem Wasser und Elektrolyten benetzt, mit einem Sprühnebel, man kann sich das vorstellen wie in einem Dampfbad. In einem Zeitraum von zwölf bis 16 Stunden bewirkt diese Hydrolyse, dass der Körper in seine Bestandteile zersetzt wird. Genau genommen ist es einfach der umgekehrte Prozess der Entstehung.

Das klingt sehr sanft und wesentlich weniger martialisch als eine Feuerbestattung.

Sandra Lutz: Das ist so. Das hat auch nichts mit einer Verwesung zu tun, wie man es bei einer Erdbestattung oder einer sogenannten Reerdigung zu tun hat, sondern der Körper wird, ganz vereinfacht gesagt, auf eine sehr sanfte und ruhige Weise zurück in seine ursprünglichen Bestandteile zersetzt. Was übrig bleibt sind die Knochen, die sind danach sehr weiß und gut erhalten, im Gegensatz zu den Knochen bei einer Feuerbestattung, die recht dunkel sind. Bei beiden Arten der Bestattung sind die Knochen aber sehr porös und zerfallen durch eine Vibration, die automatisch erzeugt wird. Da muss niemand Knochen zermahlen, was ja immer gerne mal behauptet wird.

Jochen Lutz: Der einzige Nachteil gegenüber anderen Arten der Bestattung ist allein der zeitliche Faktor, denn eine Einäscherung dauert in der Regel ein bis drei Stunden, je nach Gewicht des Leichnams, die Lavation dauert zwischen zwölf und 16 Stunden. Aber für die Umweltfreundlichkeit der Lavation muss man einfach die Zeit in Kauf nehmen, die sie braucht, denn diese Art der Bestattung ist – worauf auch eine wissenschaftliche Expertenkommission in den Niederlanden hingewiesen hat – nachhaltig und die umweltfreundlichste und im Gegensatz zu einer Reerdigung, also der Kompostierung eines Körpers, wesentlich schneller. Die Reerdigung benötigt viel Platz, viel Erde und benötigt rund 40 Tage, bis sich der Körper zersetzt hat.

Sandra Lutz: Auf den Punkt gebracht ist die Lavation eine enorme Einsparung aller beteiligten Ressourcen von der benötigten Energie bis hin zur zeitlichen und räumlichen Komponente. Es gibt auch keinerlei Emissionen nach außen. Die alkalische Hydrolyse neutralisiert alle Rückstände, die sich im Körper, beispielsweise nach einer Chemotherapie, befinden.

Welche Hürden müssen Sie nehmen, bis Sie die Lavation in Deutschland anbieten dürfen?

Jochen Lutz: Wir befinden uns noch in der Phase der Tierforschung. In Baden-Württemberg hängt das noch an der Politik, wir haben den Antrag auf Änderung des Bestattungsgesetzes vor rund einem Jahr bei unserem Sozialministerium eingereicht. Parallel dazu haben wir eine Pilotanlage für einen Modellversuch hier in Schwäbisch Hall beantragt. Wir hoffen, dass wir bis zum Ende des Jahres alle nötigen Zusagen haben, damit wir die Lavation hier durchführen können.

Sandra Lutz: Wir sind so von dem Verfahren der Lavation überzeugt, dass es für uns nur noch eine Frage der Zeit ist und nicht eine Frage, ob es überhaupt passieren wird. Mit dem Thema der Nachhaltigkeit liegen wir auch voll im Trend. Wir hoffen natürlich, dass uns die Energiekrise nun bei der Genehmigung für die Lavation in die Hände spielt.