Urlaub

Mallorca: Sauf-Tourismus am Ballermann eskaliert – Lage so schlimm wie nie

Die Situation auf Mallorca spitzt sich zu. Bewohnerinnen, Türsteher und Hoteliers sind sich einig: So kann es nicht weitergehen.

Die Strohhalme im Sangría-Eimer wären dann bereit ...
Die Strohhalme im Sangría-Eimer wären dann bereit ...Jens Kalaene/dpa

Als Isla de la Calma bekannt, als „Insel der Ruhe“, schreibt die spanische Wirtschaftszeitung Expansión, sei Mallorca „das perfekte Ziel, um sich zu entspannen und von der Welt Abstand zu nehmen“. Sofía, die Königinmutter, die sich weiter Königin nennen darf, ist seit ein paar Wochen hier; Ende Juli kam ihr Sohn nachgereist, König Felipe VI., und Anfang August der Rest der Familie, auch Leonor, die künftige Königin, die auf der Insel noch einmal ausspannt, bevor sie in ein paar Wochen ihre Schulung an der Militärakademie von Zaragoza beginnt.

Die schönen Tage von Mallorca wird sie im Palacio Marivent verbringen, in der Inselhauptstadt Palma, und vom Ballermann nichts hören. Dabei ist der nicht weit weg. Nur 16 Kilometer die Küste Richtung Südosten hinab, liegt er trotzdem in einer anderen Welt. Und die ist laut und schmutzig.

Der Deutsche Peter Berghoff, der in der Nähe vom Ballermann bis 2020 ein Gesundheitszentrum betrieb und jetzt Ferienimmobilien auf der Insel verwaltet, ärgert sich: „Es ist schlimmer als je zuvor. Die Leute benehmen sich vollkommen daneben. Pinkeln in die Biergläser.“ Es habe jetzt ein Video gegeben, da hat jemand einem Schlafenden ins Gesicht gekackt. „Es ist maßlos“, so Berghoff.

„Die sind besoffen, die machen einfach alles kaputt“, sagt er. Ein Hotelier habe ihm erzählt, dass „er die Preise erhöht hat, damit nicht das Gesocks kommt. Das Gesocks kommt trotzdem.“ Das ist kein schönes Wort. Aber Berghoff hält es für das angemessene. „Die schmeißen Biergläser auf die Straße. Das hat nix mehr mit Eimersaufen zu tun, es ist einfach nur Vandalismus.“

Die saufen sich vorher schon mit Dosen voll. Und haben keinen Respekt mehr vorm Türsteher.

Pedro Marín

An der Playa de Palma sind es hauptsächlich junge Deutsche, die über die Stränge schlagen. „Die haben sich wahrscheinlich gesagt: ,Ah, wir fahren mal nach Mallorca, da kann man die Sau rauslassen.‘ Und dann tun die das auch“, klagt Berghoff. Dass es solche Probleme schon immer gegeben habe, lässt er nicht gelten.

Dieses Jahr gehe es drunter und drüber, und das hat seine Gründe, glaubt er: „Die Restaurants sind teuer. Es ist alles sehr teuer. Im Bierkönig kostet ein Bier mehr als auf dem Oktoberfest. Dann saufen die sich vorher schon mit Dosen voll. Und haben keinen Respekt mehr vorm Türsteher.“ Würde dieser zum Beispiel zum Nichtrauchen mahnen, dann interessiere das die betrunkenen Gäste nicht. „Dann wundern sie sich, wenn sie vom Türsteher auf die Straße geworfen werden. Sie können fragen, wen Sie wollen. Es ist nichts gelogen. Es ist nichts übertrieben. Es ist dieses Jahr so schlimm wie nie.“

Berghoff ist tatsächlich nicht der einzige, der klagt. Anfang Juni warnten mehrere Verbände Mallorquiner Hoteliers, Gastronomen und Nachtclubs in einer gemeinsamen Erklärung, dass die Lage an der Playa de Palma „unhaltbar“ und „alarmierend“ sei. Pedro Marín, der Präsident der Hoteliervereinigung der Playa de Palma, sagte in einem Interview mit der deutschsprachigen Mallorca-Zeitung Ende Juli, dass sich dieses Jahr „der Sauftourismus noch einmal deutlich verstärkt“ habe.

Platz ist auf dem kleinsten Strandstück: Nach der Pandemie steigen die Gästezahlen wieder rasant.
Platz ist auf dem kleinsten Strandstück: Nach der Pandemie steigen die Gästezahlen wieder rasant.imago images

„Es kommen sehr viele größere Gruppen, und viele von ihnen bereiten sich schon zu Hause richtiggehend auf unkontrolliertes Feiern vor“, so Marín. Auch ein Türsteher, Diego Strauss, sagte zur Mallorca-Zeitung: „Es ist schlimmer als je zuvor. Alle benehmen sich asozial.“

Auf alle Fälle ist Mallorca dieses Jahr so voll wie lange nicht mehr oder möglicherweise so voll wie noch nie. Exceltur, ein Lobbyverband der spanischen Tourismusindustrie sagt, dass die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr auf den Balearen im zweiten Quartal dieses Jahres um mehr als ein Viertel höher lagen als im zweiten Quartal 2019, dem bisherigen Rekordjahr.

Dass es schlimmer ist als die Jahre davor, glaube ich jetzt gar nicht.

Anett Köhler

Ganz Spanien vermeldet nach dem Corona-Einbruch Boomzahlen, die Balearen die besten. Ob’s das ganze Jahr so bleibt, ist noch nicht absehbar. Vielleicht drückt die Inflation die Urlaubslaune wieder etwas.

Wo viele Leute beisammen sind, passiert viel, und vieles ist nicht schön. Anderes wiederum, ist abstoßend. Fünf junge deutsche Männer sitzen in Untersuchungshaft, weil sie teils beschuldigt werden, Mitte Juli eine 20-jährige Hannoveranerin im Strandhotel vergewaltigt, andere weil sie ihr nicht geholfen haben sollen. Eine Woche später rammte eine deutsche Residentin ihrem Lebenspartner ein Messer in die Brust. Fünf Menschen sind im Juli auf der Insel bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, darunter eine deutsche Touristin auf der Uferpromenade von Palma.

Gut einen Kilometer vom Ballermann entfernt – „Ballermann“ ist die Verballhornung von Balneario 6, dem Namen einer Strandbar – betreibt die Sächsin Anett Köhler die Sonnen-Bäckerei, wo es den besten Mohnkuchen Mallorcas gibt. „Dass es schlimmer ist als die Jahre davor, glaube ich jetzt gar nicht“, sagt sie. Viel Müll sehe sie allerdings, wenn sie morgens mit dem Hund in die Nähe des Balneario 6 komme. „Das finde ich dieses Jahr extremer.“

Aber bei ihr, in der Nähe vom Balneario 9, „da liegt nix rum, da ist sauber, da ist schön“. Auch ihre Gäste benähmen sich. Zu dem, was drüben am Ballermann los ist, sagt sie: „Wir sind auch ein bisschen verwöhnt, dadurch dass dieses Covid war und wir eine Pause dazwischen hatten. Wir unterschätzen vielleicht, dass wir auch alle anders empfinden, weil wir halt zwischendurch mal dieses Fast-nix hatten.“ Dieses „Fast-nix“ an Dreck und schlechtem Benehmen – und auch an Einnahmen.

Wenn man Peter Berghoff fragt, den Mann mit dem Gesundheitszentrum, dann wird sich an der Playa de Palma so schnell nichts ändern, „solange es Bierkönig und Megapark gibt“. Das sind die berühmten Großdiskotheken. Wer auf Mallorca Ruhe sucht, muss es tun wie Spaniens Könige: dem Ballermann fernbleiben.