Zunächst ein Zugeständnis an „Germany’s Next Topmodel“ und die am heutigen Donnerstag zu Ende gehende 18. Ausgabe: Die Staffel war gar nicht so schlecht, nach Jahren der Unterdurchschnittlichkeit waren mal wieder gute Ansätze sichtbar.
Modelchefin Heidi Klum verlor sich diesmal nicht in peinlichen, weil unglaubwürdigen Diversitätsbemühungsankündigungen, stattdessen fand die 50-Jährige hin und wieder zurück zu sachlich-fachlichen Bewertungen. Endlich ging es nicht mehr darum, wie schwer es ihr falle, die Models nicht „Meedchen“ zu nennen, es musste auch nicht ständig betont werden, wie divers man aufgestellt sei.
Stattdessen war die Vielfalt einfach da. Finalistin Nicole ist mit ihren 49 Jahren weit über dem Altersdurchschnitt der Sendung, läuft den anderen Kandidatinnen aber mit ihrem professionellen Walk und der coolen Aura ein ums andere Mal den Rang ab.

Vivien, 23, kann man als Curvy Model verorten, man könnte aber auch einfach sagen, dass sie tatsächlich ausstrahlt, wie wohl sie sich in ihrem Körper fühlt, dass sie das nötige Selbstbewusstsein mitbringt und sich hinter der prominenten GNTM-Gastjurorin Ashley Graham, dem international erfolgreichsten Plus-Size-Model, nicht verstecken musste.
Eine andere Kandidatin, Mirella, wurde nicht wie in den Staffeln zuvor geschehen, groß und breit als Transkandidatin eingeführt. Die Sozialarbeiterin aus Berlin outete sich erst spät in der Sendung als Transgender-Model. Dass sie als Junge geboren wurde, kam für die meisten Zuschauer überraschend. Ins Finale schaffte es die 21-Jährige nicht.
GNTM-Finale: Eine Show, die auch Wolfgang Joop in den Wahnsinn trieb
Heidi Klum betonte in der Sendung, die natürlich immer noch einen hohen Trash-Faktor hat und wie immer berechtigte Zweifel an der Ernsthaftigkeit der eigentlichen Topmodelsuche aufkommen lässt, durchaus mal wieder andere Tugenden, anstatt die Diversity-Bemühungen durch ständiges Überstrapazieren zu konterkarieren.
So legte sie beim Fotoshooting Wert auf Verbindlichkeit, kritisierte die mangelnde Motivation der Kandidatinnen. Tatsächlich dürften in der Branche Werte wie Pünktlichkeit, Ehrgeiz und Disziplin schwerer wiegen, als das in der TV-Show oft den Anschein hat. Eigenschaften, für die Topmodels wie Claudia Schiffer einst standen, sind trotz der influencenden Instagram-Welt bei klassischen Castings immer noch gefragt.
Nun aber steht das GNTM-Finale an, und damit – da kann die Staffel so gut sein wie sie will – die peinlichste Sendung im deutschen Fernsehen. Nur unter Schmerzen, mit allergrößtem Widerwillen und weil man wissen will, wie es ausgeht, ist das Finale überhaupt zu ertragen. Ich schaue es mir nicht mehr an.
Dieses peinliche Potpourri aus kreischbunten Outfits, einer wie auf Speed agierenden Moderatorin, bekannten, aber belanglosen Musik-Acts, unangenehmen Überraschungseinschüben und Trilliarden von Werbeblöcken trieb 2014 schon Wolfgang Joop in den Wahnsinn.
Der Designer und damalige Gastjuror blickte im gesamten Verlauf der Live-Show verstört durch die Gegend, strich sich fahrig durch die Haare, verwechselte die Namen der Kandidatinnen. Einmal fragte ihn Heidi Klum: „Ist das nicht Wahnsinn hier mit so vielen Leuten?“ Joops Antwort: „Mit dir allein zu sein, war manchmal schwerer.“

Nie hat man sich Wolfgang Joop näher gefühlt als in diesem Moment. Wenn man sich desorientiert fühlen darf, dann doch beim GNTM-Finale. Als Zuschauer ahnt man nichts Böses, will einfach nur wissen, wer auf das Cover der Harper’s Bazaar kommt, und muss dann doch alle Jahre wieder mit den schlimmsten Fremdschammomenten rechnen, die sich nicht mal mehr mit Twitter-Humor bekämpfen lassen.
Ein Tiefpunkt im Low-Leveltum war im Finale 2019 erreicht, als Kandidatin Theresia plötzlich als Braut auf der Bühne stand und zu schmalzigem Herzschmerzgedudel auf ihren Freund Thomas zuschritt. Eine Live-Hochzeit im Topmodel-Finale, ein „überraschter“ Bräutigam und Heidi Klum als Standesbeamtin – glücklich durften sich all jene schätzen, die rechtzeitig weggezappt oder gar nicht erst eingeschaltet hatten.


