Gastronomie

MeToo im Sternelokal: Restaurant Überfahrt stellt Christian Jürgens frei

Sternekoch Christian Jürgens ist von der Führung seines Gourmet-Restaurants Überfahrt am Tegernsee freigestellt worden. Das wird ihm vorgeworfen.

2013 wurden Christian Jürgens erstmals die drei Sterne verliehen.
2013 wurden Christian Jürgens erstmals die drei Sterne verliehen.Imago Images

Noch vor wenigen Wochen herrschte im Restaurant Überfahrt im bayerischen Rottach-Egern Feierlaune: Der renommierte Restaurantführer Guide-Michelin hatte Anfang April den Koch Christian Jürgens (54) und sein Team des Restaurants Überfahrt am Südufer des Tegernsees zum zehnten Mal mit drei Sternen, der höchsten Auszeichnung in der Welt der Kulinarik, ausgezeichnet.

Doch nun stehen die Zeichen auf Sturm in dem Nobellokal mit der Premiumlage: Nachdem der Spiegel berichtet hatte, dass Jürgens Mitarbeitende über Jahre schikaniert, belästigt und gedemütigt haben soll, reagierte der Drei-Sterne-Tempel nun auf die Vorwürfe und stellte seinen bisherigen Küchenchef frei.

In einem Statement der Althoff-Hotels, zu dem das Seehotel Überfahrt gehört und das der Berliner Zeitung vorliegt, heißt es: „Zunächst möchten wir klar sagen, dass uns die Vorwürfe nach wie vor erschüttern. Mit Wirkung vom 5. Mai haben wir daher entschieden, Christian Jürgens freizustellen.“

Die Anschuldigungen müssten nun im Detail geprüft und „eindeutig aufgeklärt“ werden. „Wir als Unternehmen verurteilen grundsätzlich Übergriffe in der hier dargestellten oder ähnlicher Art. Das Wohl aller bei uns Mitarbeitenden und die Aufklärung stehen jetzt im Vordergrund. Daher haben wir unverzüglich eine renommierte Kanzlei mit einer Prüfung der Vorwürfe beauftragt – nachdem diese uns bekannt geworden sind.“

Vorwürfe von Machtmissbrauch, Schikane und sexueller Belästigung

Zuvor hatte der Spiegel berichtet, dass rund zwei Dutzend ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Gastronom Machtmissbrauch, Schikane und teils sexuelle Belästigung vorwerfen. Über Monate hat das Hamburger Nachrichtenmagazin mit den früheren Angestellten aus Küche und Service gesprochen. Um unter einem der besten Köche der Welt arbeiten zu dürfen, zahlten viele Mitarbeiter offenbar einen hohen Preis, wie die Recherche nahelegt.

Zahlreiche Ehemalige beschreiben den Starkoch als manipulativ, cholerisch, sexistisch, übergriffig. Sein Verhalten habe seit mehr als 20 Jahren System gehabt, heißt es in dem Artikel. Wer gefördert werden wolle, müsse die Schikane und Brüllerei, die Grapscher und Klapse hinnehmen. Wer das nicht aushalte, riskiere seine Karriere oder zerbreche. Christian Jürgens hat über seine Anwältin die „schwerwiegenden Vorwürfe“ als „unwahr“ zurückgewiesen. Die im Spiegel geschilderten Vorgänge hätten sich „zu keinem Zeitpunkt“ ereignet.

Premium-Lage und drei Sterne: das Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern
Premium-Lage und drei Sterne: das Restaurant Überfahrt in Rottach-EgernImago Images

Der 1968 in Unna geborene Christian Jürgens wuchs in Westfalen auf, bevor Bayern zu seiner Wahlheimat wurde. „Für seine kulinarischen Kompositionen findet Jürgens Inspiration in der Natur des Tegernseer Tals, die er in seinen Gerichten neu erfindet. Er inszeniert die Region auf dem Teller“, heißt es auf der Website des Restaurants. Nach Stationen im Restaurant Tantris in München, in der Residenz Heinz Winkler in Aschau im Chiemgau und bei Jörg Müller auf Sylt holte sich Jürgens den finalen Schliff im Restaurant Aubergine bei Eckart Witzigmann.

1998 erhielt er als Küchenchef des Restaurants Am Marstall in München den ersten Michelin-Stern. Als Chef de Cuisine übernimmt Christian Jürgens 2001 das Restaurant Kastell im Hotel Burg Wernberg und erkochte dort den zweiten Michelin-Stern.

Im Jahr 2008 wechselte Jürgens ins Althoff-Seehotel Überfahrt. Schon nach kurzer Zeit erkochte er sich im Restaurant Überfahrt weitere herausragende Bewertungen. 2008 wählte ihn Der Feinschmecker und 2013 der Gault&Millau zum „Koch des Jahres“, bevor er im November 2013 mit dem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet wurde.