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Bargeld ist Freiheit – diesen Ausspruch hat sicher jeder schon einmal gehört. Spontan würde man dem auch zustimmen, doch es lohnt sich, diese Aussage zu hinterfragen. Ein Blick in unsere Geschichte kann dabei hilfreich sein.
Alles begann 1955. Damals wurden neue Banknoten für die DDR gedruckt. Neu waren sie eigentlich nicht. Die Scheine hatten lediglich andere Farben als bisher und das verwendete Papier trug neue Wasserzeichen. Dies geschah unter strengster Geheimhaltung. Danach passierte zwei Jahre lang gar nichts.
Am Sonntag, dem 13. Oktober 1957, um acht Uhr, war der DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl auf allen Radiostationen zu hören. Er sprach über einen Ministerratsbeschluss aus der vorherigen Nacht. Inhalt dieses Beschlusses war die Ausgabe neuer Banknoten und die Außerkraftsetzung bisher gültiger Banknoten. Diese Maßnahme richte sich gegen die Monopole in Westdeutschland, sowie Agenten-Organisationen und kapitalistische Kreise in West-Berlin.
Bei diesen Kräften hätte sich Geld aus dem Osten angesammelt, mit dem der DDR Schaden zugefügt werden sollte. Deshalb müsse schnell gehandelt werden. Jeder DDR-Bürger solle zwischen zwölf und 22 Uhr am selben Tage seine Banknoten gegen neue eintauschen. Dies könne man in Banken, Sparkassen, Schulen und Rathäusern tun. Die sich bis dahin im Umlauf befindlichen Banknoten wurden über Nacht ungültig. Das Ganze trug den Namen „Aktion Blitz gegen Schieber und Spekulanten“.

„Panik bei West-Schiebern und Senat“
Selbstverständlich berichteten die Medien der DDR an den folgenden Tagen von dem großen Erfolg dieser Maßnahme. Die Berliner Zeitung vom Montag, dem 14. Oktober 1957 nannte sich sogar Sonderausgabe. Die Hauptschlagzeile lautete: „Die Früchte unserer Arbeit werden gesichert – Schlag gegen Spekulanten.“ Weitere Überschriften verkündeten: „Panik bei West-Schiebern und Senat“, „Wechselstubenbesitzer überrascht“ oder „Ehrliches Geld“. Die anderen Blätter in der DDR berichteten ähnlich. Sogar der Deutsche Fernsehfunk thematisierte dieses Ereignis später in einem Kriminalfilm.
Experten schätzen, dass damals im Westen fünfzig bis hundert Millionen Ost-Mark neutralisiert wurden. Das klingt erst einmal nach einer großen Summe. Man muss aber bedenken, dass für diese Aktion Banknoten im Wert von 6,7 Milliarden Mark gedruckt wurden. Auch pendelte sich der Kurs in den West-Berliner Wechselstuben nach nur wenigen Tagen wieder zwischen vier und 4,50 DM Ost für eine DM West ein.

Kontrolle der privaten Betriebe
Da stellt sich doch die Frage, ob noch weitere Ziele bei dieser Aktion verfolgt worden sind. In der Berliner Zeitung konnte man am 17. Oktober 1957 ein Interview mit der Präsidentin der Deutschen Notenbank, Greta Kuckhoff lesen. Kuckhoff sagte damals: „Die Regierung denkt gar nicht daran, jedem Menschen ins Portemonnaie sehen zu wollen.“ Zur Erinnerung, dieselbe Regierung behauptete vier Jahre später, dass niemand die Absicht hätte, eine Mauer zu errichten. Da ist im Nachhinein schon etwas Skepsis erlaubt. Aber Kuckhoff hatte im gewissen Sinne recht, denn es wurde jemand anderem sehr genau in die Kasse geschaut: den privaten Firmen und selbstständigen Handwerkern.
Davon gab es 1957 in der DDR noch viele. Man muss nicht einmal eine Statistik bemühen. Es genügt ein Blick in die damaligen Zeitungsinserate. Viele Stellenangebote kamen von privaten Betrieben. In der Berliner Zeitung gab es die Anzeigenrubrik Geschäfte, wo diese zum Verkauf angeboten wurden. Von der Baufirma, über den Damensalon bis hin zur Eckkneipe war alles dabei. Für einige der privaten Betriebe in der DDR hatte der 13. Oktober 1957 schwerwiegende Folgen. Was also ereignete sich damals?
An diesem zweiten Sonntag im Oktober 1957 musste jeder DDR-Bürger sein bis zum Vortag genutztes Papiergeld gegen neues tauschen. Banken und Sparkassen wurden dafür geöffnet. Weitere Anlaufstellen gab es in Schulen und Rathäusern. An Menschen, die gerade im Urlaub oder auf Dienstreise waren, war in dem Regelwerk auch gedacht worden.
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Bis zu dreihundert Mark in neuen Scheinen pro Person gab es sofort. Alles darüber wurde gegen eine Quittung auf ein Sonderkonto der Deutschen Notenbank eingezahlt. Dort verblieben die Beträge zwecks einer Überprüfung. Eine Woche später konnten diese bar ausgezahlt oder einem Konto gutgeschrieben werden.
Der DDR-Minister für Finanzen Willy Rumpf gab bekannt, dass ein Prozent dieser Vorgänge überprüft würden. Dort müsse man schauen, ob der Besitz und der Erwerb des Geldes rechtmäßig seien. Kleinstfirmen, deren Jahresumsatz unter 20.000 Mark lag und selbstständige Bauern durchliefen eine ähnliche Prozedur. Institutionen und Betriebe, insbesondere die privaten, mussten ihre Bargeldbestände belegen und begründen.
Für sie gab es seit 1950 das Gesetz zur Regelung des Zahlungsverkehrs. Dieses Gesetz verpflichtete jeden Firmen- und Geschäftsinhaber, ein Girokonto zu führen. Alle Zahlungen waren bargeldlos über dieses Konto abzuwickeln. Des Weiteren bestand die Verpflichtung, Bargeldeingänge unverzüglich auf das Konto einzuzahlen.
Von staatlicher Seite wurde erwartet, dass Bareinnahmen täglich eingezahlt werden, am Bankschalter oder am Nachttresor. So manche Unternehmer definierten das Wort „unverzüglich“ etwas großzügiger. Sie hatten sich nun wegen überhöhter Bargeldhaltung zu verantworten.

Mittel zur genossenschaftlichen Kollektivierung
Es gab nur eine Möglichkeit, eine Strafe zu umgehen. Als Unternehmer musste man eine staatliche Beteiligung in seiner Firma akzeptieren. Dies wurde in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG) praktiziert – erst im Vorjahr wurde ein Gesetz verabschiedet, welches dem Staat ermöglichte, in einer solchen KG Kommanditist zu sein. Von privaten Handwerksmeistern wurde ähnliches verlangt, um straffrei zu bleiben. Sie mussten sich und ihre Betriebe in eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) einbringen. So sollten die Betriebe, ähnlich wie in der Landwirtschaft, genossenschaftlich kollektiviert werden.
Der Erfolg war bis dahin mäßig. Bis Ende 1957 gab es in der DDR gerade einmal 295 PGH-Betriebe. Aber in den darauffolgenden zwölf Monaten erhöhte sich deren Anzahl auf 2107. Wie viele dieser PGH-Eintritte mit dem Bargeldumtausch am 13. Oktober 1957 in Verbindung standen, ist nicht bekannt. Wenige waren es sicherlich nicht. All diesen Menschen wurde ihre unternehmerische Freiheit eingeschränkt oder sogar genommen.



