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Kann Union Berlin die Bundesliga retten? Die Dominanz von Bayern München muss gebrochen werden

Bayern München sorgt für Langeweile in der Liga – auch wegen der Plünderungstaktik des Vereins. Union Berlin wirkt da wie ein Kontrastprogramm, es könnte die Liga retten.

Spieler des 1. FC Union in der Alten Försterei
Spieler des 1. FC Union in der Alten Förstereiimago/Matthias Koch

Die Fußballbundesliga ist toll. Volle Stadien, spannende Spiele und immer wieder neue Umsatzrekorde werden seit Jahren verbucht. Das letzte Wochenende war wieder einmal ein Beweis dafür, wie identitätsstiftend die Bundesliga im Lande sein kann. Und doch ist etwas faul im deutschen Fußball-Staat. Die Spannung, die die Liga erzeugt, bezieht sich seit Jahren auf den Abstiegskampf und die Platzierung für die internationalen Wettbewerbe. Der Kampf um die Meisterschaft hingegen, das zentrale Element eines jeden Wettkampfes, ist seit Jahren geprägt von gähnender Langeweile.

Der Fisch stinkt also vom Kopf! Während in anderen Ländern zum Saisonauftakt oder im Spielbetrieb diskutiert wird, wer wohl die größten Meisterschaftschancen hat, ist die Sache in Deutschland bereits vor dem ersten Anstoß entschieden: natürlich der FC Bayern. So sah es zumindest in den letzten zehn Jahren aus. Der Meistertitel ging immer nach München. Der letzte deutsche Meister, der nicht aus der bayerischen Landeshauptstadt kam, hieß Borussia Dortmund in der Saison 2011/12. Meistens war es noch nicht einmal knapp und die Münchener konnten sich bereits mehrere Spieltage vor Saisonende zu einem weiteren Titelgewinn gratulieren lassen.

Lesen Sie hier das Exklusiv-Interview mit Union-Präsident Dirk Zingler

Einmalige Übermacht

Im europäischen Spitzenfußball ist die Rede von den Big Five, den stärksten fünf Fußballligen des Kontinents. Diese sind die deutsche Bundesliga, die Serie A in Italien, die englische Premier League, Spaniens Primera Division und die französische Ligue 1. Die Siegesserie der Bayern in den letzten zehn Jahren auf nationaler Ebene ist in Europa einmalig – zumindest in den fünf großen Ligen –, in Österreich z. B. macht sich der RB Salzburg daran, eine ähnliche Serie hinzulegen (bisher Meister in den vergangen neun Jahren).

Bis vor Kurzem herrschten auch in Italien ähnliche Verhältnisse wie in der Bundesliga. Fast parallel zu den Bayern hieß der italienische Dauermeister zwischen 2012 und 2020 Juventus Turin. Die Lage hat sich in den vergangenen zwei Jahren aber verändert. Die Mailänder Traditionsklubs Inter und AC konnten Juventus vom Thron stoßen und die Serie A wieder spannender gestalten. In der englischen Premier League wechselte der Titel zwischen London (Chelsea), Manchester (City) und Liverpool.

Die Bayern-Elf in der Alten Försterei
Die Bayern-Elf in der Alten Förstereidpa/Andreas Gora

Sogar das kleine Leicester war in der Lage, einmal zu gewinnen in der letzten Dekade. Generell gibt es in der englischen Liga jedes Jahr einen Titelkampf zwischen mindestens fünf bis sechs Spitzenteams. In Spanien haben wir das Dauerduell zwischen Real Madrid und Barcelona, in das sich gelegentlich auch Atletico Madrid mit einschaltet. Selbst in Frankreich, wo die absolute Vormachtstellung von Paris Saint-Germain gegeben ist, konnten der AS Monaco und OSC Lille den Parisern den Titel abknöpfen. Was läuft also falsch in der Bundesliga?

Fehler der Konkurrenz

Während der Bayerndominanz hießen die größten nationalen Konkurrenten in den vergangen Jahren Borussia Dortmund und RB Leipzig. Dass die Bayern den größten Geldbeutel der Liga und somit die meisten Möglichkeiten haben, ist kein Geheimnis. Die Transferpolitik der Bayern folgt zudem einem Muster: Nicht nur geht es darum, das eigene Team zu verstärken, sondern man versucht auch, die nationalen Konkurrenten zu schwächen.

Kaum gibt es eine schlagkräftige Truppe in der Bundesliga, die den Bayern gefährlich werden könnte, werden sofort deren Topspieler von den Münchenern weggekauft. So geschehen mit den ehemaligen Dortmundern Mats Hummels, Mario Götze und vor allem Topstürmer Robert Lewandowski. Letztes Jahr bedienten sich die Bayern bei den erstarkten Leipzigern und verpflichteten Innenverteidiger Dayot Upamecano und Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer. Beide waren zentrale Figuren in der Leipziger Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre.

Bayerns Trainer Julian Nagelsmann gibt Thomas Müller Anweisungen. 
Bayerns Trainer Julian Nagelsmann gibt Thomas Müller Anweisungen. imago/Michael Taeger

Dabei darf auch der aktuelle Bayerntrainer Julian Nagelsmann nicht vergessen werden. Auch dieser wechselte von Leipzig nach München für eine kolportierte Rekordablösesumme für Trainer in Höhe von 25 Millionen Euro. Auch dieses Jahr versuchten die Bayern lange, den norwegischen Wunderstürmer Erling Haaland vom Liga-Konkurrenten Dortmund an die Säbener Straße zu locken. Dass der Haaland-Coup am Ende misslang, liegt sicherlich nicht an den mangelnden Bemühungen der Bayern, sondern vielmehr am Vater des jungen Norwegers, der seinen Sohn lieber bei seinem ehemaligen Verein Manchester City sehen wollte.

Wenn man weiter in die Vergangenheit blickt, können auch Vereine wie Schalke 04 (Manuel Neuer, Leon Goretzka) und Werder Bremen (Andreas Herzog, Miro Klose, Mario Basler) über die bayerische Transferstrategie nur klagen. Auf Trainerebene sind neben Nagelsmann noch Otto Rehhagel und Ottmar Hitzfeld zu nennen, die von den Bayern zu einem Zeitpunkt verpflichtet wurden, als die von ihnen aufgebauten Mannschaften (Werder Bremen und Borussia Dortmund) ernst zu nehmende Bayernverfolger waren.

Oftmals brauchen die jeweiligen Vereine viele Jahre, um sich von der bayerischen „Plünderung“ zu erholen. Manchmal gelingt es auch gar nicht. Bayerns Strategie geht jedenfalls fast immer auf, sogar wenn die Neuzugänge nicht einschlagen. Denn die Schwächung der anderen ist garantiert.

Die Schuld liegt aber nicht bei den Bayern. Wie jeder andere Verein haben sie das Recht, Spieler anzuwerben, wo auch immer sie möchten. Vielmehr sollten die Mitstreiter sich fragen, warum sie nicht in der Lage sind, ihre Topspieler und Trainer längerfristig zu binden oder zumindest nicht an nationale Ligakonkurrenten zu verkaufen.

Das Topspiel

Was hat das Ganze mit Union zu tun? Das Bundesligaspitzenspiel des vergangenen Wochenendes brachte eine Paarung, mit der viele vor Saisonbeginn nicht gerechnet hätten. Der Tabellenführer und aktuelle Meister, FC Bayern München, war zu Gast in Köpenick beim Tabellenzweiten, dem 1. FC Union Berlin. Das Spiel endete wohlbekannt 1:1, also unentschieden. Auch damit haben wahrscheinlich die wenigsten gerechnet.

Der überstrapazierte David-gegen-Goliath-Vergleich ist hier durchaus angebracht. Das Starensemble aus München leistet sich jede Saison Ausgaben für Neuzugänge, die den Gesamtwert der Unioner weit übertreffen. Laut transfermarkt.de ist allein Joshua Kimmich fast genauso viel wert wie die ganze Mannschaft von Union. Und dennoch spielte hier die Nummer eins gegen die Nummer zwei – und auf dem Platz war von dieser krassen Disparität wenig zu sehen.

Natürlich waren die Bayern überlegen. Obwohl die erste Halbzeit durchaus einen ausgeglichenen Spielverlauf zeigte. Beckers Führungstor für Union wurde leider postwendend von einem unglücklich abgefälschten Kimmich-Schuss beantwortet. Aber vor allem in der zweiten Halbzeit drückte Bayern gewaltig. Unions Keeper Rönnow musste mehrere Male mit Glanzparaden den drohenden Rückstand verhindern. Auch Union hatte seine Momente.

Aufopferungsvoll verteidigten sich die Köpenicker und konnten hin und wieder mit guten Konterchancen glänzen. In der 75. Spielminute hätte sogar das Siegtor fallen können, als der eingewechselte Leweling sich stark gegen Upamecano durchsetzte und nur ein grandioser Neuer-Reflex die Unioner Führung verhinderte. Hätte Union gewonnen, wären sie jetzt Tabellenführer. Am Ende war das Unentschieden trotzdem ein gefühlter Sieg für die Köpenicker. Zu Recht! Denn nicht nur wurde ein Punkt erobert gegen den haushohen Favoriten, der auf das eigene Konto geht. Zudem wurde der FC Bayern von der Tabellenspitze verdrängt, was gut ist für die ganze Bundesliga und die Spannung im Kampf um die Meisterschaft. Jeder Punkt gegen Bayern hilft der Liga!

Union hat große Pläne

Die Saison ist noch jung. Gerade mal der fünfte Spieltag liegt hinter uns. Union hat einen Traumstart hingelegt und ist neben dem FC Bayern (und überraschenderweise auch Köln) das einzige ungeschlagene Team der Liga. Natürlich ist es noch zu früh, um Union zum offiziellen Bayernjäger zu erklären, und es bleibt abzuwarten, wie die Doppelbelastung durch den startenden internationalen Wettbewerb vom Team verkraftet wird. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass in Köpenick eine Menge Potenzial liegt und die Mannschaft um die Spitzenplatzierungen in der Bundesliga mitspielen kann. Der Kader scheint robust genug dafür zu sein. Gegen die Bayern gelang es, den Ausfall von Stammkräften wie Siebatcheu und Leite zu kompensieren.

Vereinspräsident Dirk Zingler.
Vereinspräsident Dirk Zingler.dpa/Andreas Gora

Aber auch wenn es noch zu früh sein sollte für Union, um sich im Spitzenfeld der Bundesliga zu etablieren, bleibt festzuhalten, dass dieser Verein stetig und nachhaltig wächst. Als Vereinspräsident Dirk Zingler die Köpenicker vor 18 Jahren übernahm, betrug die Mitgliederzahl gerade mal 5000. Heute sind es fast 45.000. Ein Nachwuchsleistungszentrum befindet sich im Bau. Auch das Stadion an der Alten Försterei soll demnächst von derzeit ca. 22.000 auf 37.000 Plätze erweitert werden.

Union generiert mittlerweile einen Umsatz, der sich im dreistelligen Millionenbereich befindet. Mit den Köpenickern ist auf jeden Fall zu rechnen in den nächsten Jahren. Die Zeiten, als vom Fußballzwerg aus Köpenick die Rede war, sind definitiv vorbei. Sollte die Erfolgsstory weitergehen, werden sicherlich irgendwann auch finanzielle Avancen aus München im Büro von Präsident Zingler eintrudeln.

Beispielsweise der aktuelle Bundesliga-Toptorschütze Sheraldo Becker (bereits fünf Treffer) dürfte jetzt schon für viele finanzstärkere Vereine interessant sein. Es bleibt zu hoffen, dass Zingler und Union-Manager Oliver Ruhnert den Kader vor derartigen Ausverkäufen schützen können. Auch Trainer Urs Fischer, dessen Zukunft noch ungeklärt ist, muss unbedingt gehalten werden. Das läge im Vereinsinteresse, wäre aber auch im Sinne der gesamten Bundesliga.

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