Kommentar

Warum Affenpocken anders heißen müssen und die WHO ihre eigenen Regeln ignoriert

Tierarten und Personennamen als Paten für Krankheiten sollte es eigentlich nicht geben. Dennoch halten sich „Schweinegrippe“ und „Alzheimer“.

So richtig fair ist der Name Affenpocken nicht: Mit Affen hat die Krankheit im Grunde wenig zu tun. In Berlin gibt es derzeit 317 Fälle, in Brandenburg elf Infizierte.
So richtig fair ist der Name Affenpocken nicht: Mit Affen hat die Krankheit im Grunde wenig zu tun. In Berlin gibt es derzeit 317 Fälle, in Brandenburg elf Infizierte.Imago

Schon mal etwas von MPXV gehört? Es handelt sich dabei um die Abkürzung für Affenpocken. Sie gehören zur Gattung Orthopoxvirus, in der Unterfamilie Chordopoxvirinae der Pockenviren und sind derzeit weiter auf dem Vormarsch. Eigentlich dürfte es sie gar nicht geben. Jedenfalls dem Namen nach und wenn es die Weltgesundheitsorganisation WHO mit ihren eigenen Empfehlungen vom Mai 2015 ernst gemeint hätte. Die besagen unter anderem: Tierarten sind als Paten für Krankheiten tabu. Als Negativbeispiel angeführt: Monkeypox.

Der Begriff weckt falsche Assoziationen. Zumal es nicht die Affen sind, die hauptsächlich das Virus weitertragen, sie fungieren nur gelegentlich als Fehlwirte. Nagetiere geben die Pocken weiter. Rodentpox klingt aber auch nicht besser, erinnert an Ratten, an Seuchen, an Gefahr, und solche sublimen Unterstellungen gelte es tunlichst zu vermeiden, empfahl die WHO vor sieben Jahren. Nicht zu verwenden seien deshalb auch: unbekannt, tödlich, fatal oder epidemisch.

Völlig aus dem Rahmen fällt nach den Maßstäben der globalen Gesundheitswächter die Afrikanische Schweinegrippe, die dennoch im Zusammenhang mit Ausbrüchen etwa in Brandenburg immer wieder als solche bezeichnet wird. Dabei enthält der Begriff neben der Tierart auch eine geografische Bestimmung, und die ist laut WHO generell untauglich.

Zu spät kam die Empfehlung, um eine andere Unart zu unterbinden: Es gab Zeiten, da firmierte Syphilis in Deutschland als Franzosenkrankheit, in Polen als Deutsche Krankheit und in Russland als Polnische Krankheit. Dass man anklagend auf den Nachbarn zeigt, hat Tradition. Manchmal soll das sogar innerhalb eines Landes vorkommen, wobei stark zu bezweifeln ist, dass zum Beispiel das Marburg hämorrhagische Fieber aus Häme gegenüber der hessischen Stadt so heißt.

Wie werden Affenpocken künftig heißen?

Die Bezeichnung Wuhan-Virus konnte sich zum Glück nicht durchsetzen können und heißt jetzt Corona oder ganz korrekt Sars-Cov-2, sprich Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2. Die Spanische und die Russische Grippe werden dagegen ihren Beinamen nicht los, obwohl sie längst abgeklungen sind. Zu den Besonderheiten der WHO-Empfehlungen gehört, dass der Name Talfieber erlaubt ist, das Synonym San Joaquin Valley Fever jedoch nicht.

Ginge es nach der internationalen Organisation, würden Creutzfeldt-Jakob und Alzheimer längst anders heißen, weil es sich um Eigennamen von Personen handelt. Zulässig sind dagegen Adjektive, die bestimmte Personengruppen einschließen. Zum Beispiel senil in senile Bettflucht oder juvenil in juvenile idiopathische Arthritis. Unbedenklich sind zudem Bezeichnungen für Untergruppen von Erregern, beim politisch korrekten Corona beispielsweise mittels der griechischen Buchstaben Alpha, Delta, Omikron. Sie ersetzen unkorrekte Umschreibungen wie indische, südafrikanische oder brasilianische Variante.

Gegen Pi soll sich allerdings Widerstand in China geregt haben, weil es dort ein gebräuchlicher Name sei. Bei BA1 bis 5 fühlt sich dagegen niemand persönlich angegriffen. Und was wird nun aus den Affenpocken? In Kürze will die WHO entscheiden, wie sie das Virus künftig genannt sehen will. MPXV ist ungeeignet. MP steht für Monkeypox.