Einmal noch zum Wasser, vorbei am Bollwerk, wo der französische Künstler Tony Torrilhon einen Skulpturengarten aus Schnitzwerk und Geäst errichtet hat: Szenen aus der Odyssee, dem europäischen Epos des Unterwegs- und Fremdseins. Zwanzig Jahre lang haben wir uns dem Gefühl hingegeben, hier im nordbrandenburgischen Rheinsberg – ja, doch – heimisch zu sein.
Der Grienericksee liegt ruhig vor uns, die Luft ist mild. Wie oft hat es die Stimmung gehoben, von der kleinen Anhöhe des Seebades aufs Wasser herabzublicken? So erschloss sich auf unprätentiöse Weise die Schönheit des Sees, noch ehe die triefende Idylle der von Knobelsdorff erweiterten Wasserburg in den Blick geriet.
Nach dem Wochenende wieder fort
Nun kehren wir Friedrichs und Heinrichs Musenhof den Rücken, unsere Lebensplanung hat uns einen anderen Weg einschlagen lassen. Die freie Zeit, die wir dort verbrachten, übersteigt die Jahre des Aufwachsens in Ostwestfalen, an das ich mich ohne Zögern als Heimat erinnere. Die freundlich-spröde Zurückhaltung der Rheinsberger hat uns nie in Versuchung geführt, eine derartige Pathosformel zu verwenden. Wir sind hier Gäste geblieben, Abreisende, die nach dem Wochenende meist wieder fort waren.
Und doch fühlten wir uns zugehörig. Als es während der Corona-Monate ein paar Wochen lang verboten war, das Feriendomizil aufzusuchen, sind wir eines Abends heimlich angereist. Die Homeoffice-Monate haben der stadtnahen Provinz ganz neue Aspekte der Wertschätzung verliehen. Obwohl sich auch in Rheinsberg eine kleine Gruppe zu trotzig-verbitterten Montagsspaziergängen versammelte, schienen uns die Wirren der Pandemie einen Hauch erträglicher.
Klar, wir können wiederkommen. Gut zu wissen, wo wir einkehren. Wäre der Begriff nicht kontaminiert, würde ich unsere Jahre in Rheinsberg als geglückte kulturelle Aneignung bezeichnen. Wir waren gut vorbereitet, vermochten wir die Landschaft und ihre Menschen doch durch die Sehhilfen Fontanes wahrzunehmen, dem Distanzkünstler und Experten für Näheverhältnisse. Selbst den Rheinsberger Schlosspark durchquerte er als Kritiker, wenn er ihn als glückliche Mischung von französischem und englischem Geschmack beschrieb, „zum Teil planvoll und absichtlich dadurch, dass man die Le Nôtreschen Anlagen durch Partien im entgegengesetzten Geschmack erweiterte, zum Teil aber planlos und unabsichtlich dadurch, dass sich das zwang- und kunstvoll Gemachte wieder in die Natur hineinwuchs“.
Über die Umbenennungspläne hätte Fontane gespottet
Fontaneland verlässt man nicht, weil sich in fast allen Texten des Autors etwas findet, das danach trachtet, Landschaft mit Herrschaft zu versöhnen, gerade auch angesichts eines drohenden Wandels. Nie wäre Fontane auf die Idee gekommen, das Preußische oder vielmehr das Brandenburgische auf den Machtanspruch von Regenten zu reduzieren. Über das akute Begehren, den Namen Preußens aus der größten deutschen Kulturinstitution zu tilgen, weil man in Bayern nicht recht verstehen mag, was es bedeuten soll, hätte er vermutlich einen spöttischen Aufsatz geschrieben.

