Staatsfeinde

Reichsbürger: Wie sich die Generation Reha von der Generation Greta unterscheidet

Die Feinde der Demokratie sind integraler Bestand derselben. Entwarnung also? Worin sich der Aufstand von rechts und die Klimaproteste unterscheiden.

Ein Aktivist der Initiative „Letzte Generation“ hat sich mit seiner Hand auf die Straße geklebt.
Ein Aktivist der Initiative „Letzte Generation“ hat sich mit seiner Hand auf die Straße geklebt.dpa

Ende der 70er-Jahre waren die Telefone, zumindest in Wohngemeinschaften, mit langen Kabeln versehen. Wer ungestört telefonieren wollte, zog sich mit dem Apparat besser in sein Zimmer zurück, die oft hoffnungslos in sich verdrehte Schnur war Ausdruck eines gesteigerten Bedürfnisses nach Intimität. Dabei war insbesondere im linken Milieu der Verdacht allgegenwärtig, von Bütteln der Staatsmacht überwacht zu werden. Dass irgendwer mithört, bestimmte das Grundgefühl junger Menschen, die sich zu Anti-AKW-Demos, Hausbesetzungen und dergleichen verabredeten. Manchmal, wenn man meinte, ein Knacken in der Leitung zu vernehmen, sprach man das imaginäre Gegenüber sogar direkt an, und es kam beinahe einer narzisstischen Kränkung gleich, dass niemand antwortete.

Es ist nicht völlig abwegig, die oben skizzierte Szene als Generationserfahrung zu beschreiben, in der ein Gefühl für politische Verschwörung tief verankert ist. Die Vermutung, Gegenstand omnipräsenter Kontrolle zu sein, korrespondierte mit der Haltung, diesem Staat die Stirn bieten zu wollen, es auf der Basis einer Utopie von einer besseren oder anderen Gesellschaft sogar zu müssen. Eine große Kohorte jedenfalls wähnte sich nicht auf dessen Seite. Polizisten wurden nicht nur als Bullen geschmäht, in großen Menschenmengen marschierte man an den Bauzäunen von Brokdorf und Wackersdorf auf, um sie auf robuste Weise herauszufordern. Jenseits des Terrors der RAF, die mit gezielten Morden gegen Repräsentanten der Gesellschaft den bewaffneten Kampf propagierte, gab es ein weitverbreitetes Misstrauen gegen die Existenz des staatlichen Gewaltmonopols.

Hoffen auf Lernfähigkeit

Der besondere Charme jeder Revolte besteht in ihrer Fehlerfreudigkeit. Das ist wohl auch der Grund, warum die Akteure der sogenannten Letzten Generationen, trotz der Ärgernisse, die sie mit Kartoffelbrei und Sekundenkleber hervorrufen, dieser Tage von vielen beinahe liebevoll mit Sympathien bedacht werden. Mit ihrer Propaganda der Tat, könnte man milde-paternalistisch sagen, hoffen sie auf die Lernfähigkeit der Demokratie.

Entsprechende Vorbilder gibt es. Es gehört zu den bemerkenswerten Emanzipationsprozessen der späten Bundesrepublik, latente Aversionen gegen alles Staatliche in ein funktionierendes Demokratieverständnis umgearbeitet zu haben. So stand die kurze Ära der rot-grünen Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ganz ausdrücklich im Zeichen eines nachholenden gesellschaftlichen Wandels, in dem einstige Straßenkämpfer zu angesehenen Vertretern jenes politischen Apparats wurden, den sie zuvor massiv bekämpft hatten.

Der kurze Rückblick zeigt, dass das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern dynamisch ist und Staatsfeindschaft nicht dauerhaft antidemokratisch sein muss. Die Annahme jedoch, dass es sich bei den nun in den Fokus geratenen Reichsbürgern und ihren Fraktionierungen um eine kritische Masse handele, die mit Gesprächsbereitschaft und etwas Ausdauer für ein gesellschaftliches Miteinander noch zu gewinnen sei, ist allerdings weltfremd und unpolitisch.

Die Selbstradikalisierung gesellschaftlicher Gruppen ist nie frei von Anmaßung und Irrationalität. Das erfahrene oder auch nur empfundene Unbehagen an einer gesellschaftlichen Deklassierung kulminiert nicht selten in einer Machtfantasie, in der man sich auf der richtigen Seite der Geschichte wähnt und daraus die Legitimation ableitet, zur Behebung der eigenen Schmach Gewalt einzusetzen.

Die Renitenz der Generation Reha

So ernüchternd eine sich anbahnende Revolte von rechts vor dem Hintergrund der deutschen NS-Geschichte auch sein mag, schien sie nach 1945 nie wirklich ausgeschlossen. In einer Phase, in der autoritäre Regime weltweit das Haupt erheben und Renationalisierung propagierende Bewegungen Zulauf erhalten, kann sich Deutschland seiner demokratischen Ordnung nicht grenzenlos sicher sein. Der traurige Anblick aufmüpfiger Cordhosenträger darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, es hier bloß mit einem Aufstand des schlechten Geschmacks zu tun zu haben.

Besorgniserregend ist die Renitenz der Generation Reha vor allem deshalb, weil nichts an der Reibung, die sie zu erzeugen beabsichtigt, auf sozialen Fortschritt deutet. Die in den Jahren einer vermeintlichen kulturellen Hegemonie der Linken Zukurzgekommenen proben einen Aufstand, der sich in bloßen Rachegefühlen zu erschöpfen scheint. An den nun in Erscheinung tretenden Akteuren irritieren nicht deren bürgerliche Herkunft und Attitüde, sondern das starre Beharren auf Herrschaft. Gegen den Charme jugendlicher Revolten bieten die Reichsbürger die Hässlichkeit Unbelehrbarer auf.