TV-Unterhaltung

Nach Aus von „Chez Krömer“: Kurt Krömer hört (nicht) auf

Nach der abgebrochenen Sendung „Chez Krömer“ rätselt die Medienwelt, ob es Kalkül war oder eine Verzweiflungstat. Die Würdigung eines Kackbratzenverstehers.

Kurt Krömer in seinem Verhörraum bei „Chez Krömer“, hinten sitzt sein letzter Gast Faisal Kawusi.
Kurt Krömer in seinem Verhörraum bei „Chez Krömer“, hinten sitzt sein letzter Gast Faisal Kawusi.rbb Presse & Information

Abgebrochen, eingestellt – man hört es förmlich krachen, und natürlich kann es für Kurt Krömer keinen geordneten Rückzug geben. So gesehen ist die Frage müßig, ob die letzte „Chez Krömer“-Sendung (RBB) mit dem Comedian Faisal Kawusi eine Spontanreaktion oder ein inszenierter Skandal war. In beinahe jedem seiner TV-Auftritte kokettierte Kurt Krömer mit der Nähe zum Ausfälligen; Formlosigkeit war sein Konzept und Grenzüberschreitung seine Art, sich in der medialen Welt zu orientieren. Man könnte ihn als liebenswerten Fernseh-Extremisten beschreiben, wenn nicht die Versuche, passende Charakterisierungen für den 48 Jahre alten Moderator aus Berlin-Neukölln zu finden, von vornherein hilflosen Etikettierungszwängen gehorchten. Kurt Krömers performatives Ziel bestand und besteht seit jeher darin, Erwartungen zu unterlaufen und Zuschreibungen aller Art zu konterkarieren.

Manchmal sogar warmherzig

Nichts war seitens seiner zahlreichen Gäste in der „Kurt Krömer Show“, „Bei Krömers“, der „Krömer – Late Night Show“ und zuletzt bei „Chez Krömer“ dümmer als das Bestreben, dem ungnädig rücksichtslosen Gastgeber mit Originalität und Schlagfertigkeit begegnen zu wollen. Ihm die Show stehlen zu wollen – und sei es auch nur für den Moment eines guten Einfalls – stand unter Höchststrafe, für die Krömer Unverschämtheit, Ignoranz und Zorn aufbot, ganz gleichgültig, ob sein Gegenüber Regierender Bürgermeister oder anerkannter Schauspieler sein mochte. In der Bildschirmzeit, die man ihm gewährte, waren Anstand, Takt und gute Sitten ausgesetzt, es sei denn, der Moderator entschloss sich dazu, einem Gast mit Neugier und Freundlichkeit zu begegnen. Zuletzt widerfuhr dies der Berliner Autorin Hanna Lakomy, die unter dem Namen Salomé Balthus als prominenteste Prostituierte Berlins gilt. Ohne Übertreibung könnte man vielleicht sogar sagen, dass Krömer ihr mit einer gewissen Wärme begegnete. Geradezu rührend war es mit anzuhören, wie beide sich über den Gebrauch des Wortes Hure verständigten. Zur gesamten Bandbreite des mutwillig destruktiven Charakters K.K. gehört eben auch ein Hauch von Empathie, der, weil es selten vorkam, wie ein entwaffnender Überraschungsangriff wirkte.

Immer neue Ausdrucksformen der Frechheit und der Aversion zu finden, muss über die Jahre angstregend gewesen sein. Vor einem Jahr machte Krömer, dessen bürgerlicher Name Alexander Bojcan lautet, öffentlich, dass er seit vielen Jahren an Depressionen leide. Mit seinem Talkshow-Kollegen Torsten Sträter, der die eigene Depression ebenfalls öffentlich gemacht hatte, sprach er in dessen Sendung ausführlich über die verschiedenen Erscheinungsformen der Krankheit und Möglichkeiten, mit ihr umzugehen.

So sehr Krömer-Fans auf die Einzigartigkeit der Kunstfigur pochen, steht sie zweifellos in einer Tradition deutscher Unterhaltungsformate. Vergleiche mit Wolfgang Neuss liegen nahe, der zunächst als Schauspieler reüssierte und in Filmen wie „Das Wirtshaus im Spessart“ und „Wir Kellerkinder“ bissig auf den verklärenden Umgang der Deutschen mit der Nazivergangenheit reagierte. Der „Mann mit der Trommel“ war eine bereits in den 50er-Jahren von Neuss geschaffene Kunstfigur, die im Gestus infantiler Beschränktheit gegen die Formen gesellschaftlicher Maskerade den Takt schlug. Zu einem handfesten Medienskandal kam es 1962, nachdem Neuss per Zeitungsannonce die Identität des sogenannten Halstuchmörders aus der Krimiserie „Das Halstuch“ nach Francis Durbridge verraten hatte. Es war ein frühes Beispiel für die Vermischung von Medienrealität und gesellschaftlichem Leben. In seiner performativen Radikalität und Schonungslosigkeit gegen sich selbst erinnert Kurt Krömer nicht zuletzt an den Film- und Theaterregisseur Christoph Schlingensief, der trotz des zu kurz greifenden Rufes als Theaterberserker oft gerade dann zur Hochform aufzulaufen vermochte, wenn er seine Rolle als guter Sohn aus kleinbürgerlichem Hause reflektierte. Wie Schlingensief ist Krömer ein Rasender der Gegenwärtigkeit, der sich dabei der ästhetischen Wirkung seines Tuns stets bewusst ist.

Die Krömerei geht weiter

Das seit 2019 in insgesamt 41 Folgen ausgestrahlte TV-Format „Chez Krömer“, das Krömer zusammen mit dem Autor und Produzenten Friedrich Küppersbusch in dessen Firma probono-tv entwickelt hatte, war noch einmal eine Verschärfung der bisherigen Krömerei. Die Gäste wurden eher wie Gefangene vorgeführt, vor dem jeweiligen Sendungsbeginn waren sie in einer Art Verhörraum sich selbst überlassen. Schon das Studioambiente schien zu signalisieren, dass jeglicher Fluchtversuch vergeblich sei. An Krömer kommt keiner vorbei, außer er selbst. Zuletzt allerdings war das Auftreten Krömers angesichts eines forcierten Überbietungswettkampfes medialer Provokationen und Geschmacklosigkeiten zunehmend problematisch geworden.

Die Pointe, das Feld in seiner letzten Show vorzeitig selbst zu räumen, steht nun als Verzweiflungstat oder dramaturgische Frage im Raum, die Krömer auf die ihm angemessene Weise so beantwortete: „Es ist für mich an der Zeit für neue künstlerische Abenteuer. Mir war klar, dass ‚Chez Krömer‘ kein Format ist, das ewig laufen wird. Dass es am Ende dann doch 41 Folgen geworden sind, hat mich selbst überrascht. Mein Bedarf an Arschlöchern ist damit gedeckt.“

Dass Krömer weiter in Sendeformaten denkt und handelt, darf als Hinweis darauf verstanden werden, dass einer wie er nicht aufhören kann. Es gilt als ausgemacht, dass Alexander Bojcan Kurt Krömer nicht entkommt. Und wenn irgendetwas in der Medienwelt noch einen höheren Sinn ergeben soll, muss auch den Zuschauern klar sein: Die Krömerei geht weiter, so oder so.