In der Facebook-Blase, die selbst schon wieder wie eine veraltete mediale Zusammenkunft reüssiert, waren in den vergangenen Wochen Dutzende Selbstversuche zu besichtigen.
Gleich mehrere, überwiegend männliche, Journalisten hatten sich dem Chatbot Generative Pretained Transformer, kurz ChatGPT, ausgesetzt und Erlebnisse und Ergebnisse mitgeteilt. Bei ihren Experimenten ging es darum herauszubekommen, was ChatGPT wohl mit etwas anstelle, das die Versuchsperson einigermaßen verlässlich meinten bewerten zu können – eine Version der eigenen Biografie.
Durchaus unterhaltsam. Anscheinend waren ChatGPT lustige Fehler unterlaufen. Es war zu Verwechslungen gekommen, mitunter waren die verfügbaren Daten über verschiedene Probanden zu einer Person zusammengezogen worden, vermutlich hatten Namensähnlichkeiten und ein verwandtes Berufsumfeld dazu geführt.
Von der Antiquiertheit des Menschen
Wenn technische Neuerungen am Horizont des Alltagslebens auftauchen, sind Menschen aller Bildungs- und Berufsgrade geneigt, die vermeintliche Überlegenheit des Kommenden abzuwehren und besonderes Augenmerk auf dessen Defizite zu richten. So wurde in der Anbahnungsphase des sogenannten autonomen Fahrens auf technische Fehlleistungen hingewiesen, die in einigen Anwendungsbereichen zu schweren Unfällen geführt hatten.
Menschliche Kontrolle schien das Gebot der Stunde, als sei diese frei davon, die Quelle von Verheerungen zu sein. Nichtdestotrotz gilt das autonome Fahren als Zukunftsvision individueller Fortbewegung, die schließlich auch das lästige emissionsabhängige Antriebsproblem hinter sich gelassen haben wird.
Ganz zu zerstreuen jedoch ist das Unbehagen an bevorstehenden und mutmaßlich dominanten technischen Neuerungen nicht, das der Philosoph Günther Anders unter dem Begriff der „Antiquiertheit des Menschen“ bereits in den 50er-Jahren ausbuchstabiert hat. Der Gegenstand, dem er die zweite Hälfte seines philosophischen Lebens gewidmet hatte, war die Atombombe.
An ihrem Beispiel führte Anders den Begriff jener prometheischen Scham aus, in der der Mensch das von ihm Hergestellte nicht mehr als eigenes Fabrikat erkennt und vor ihm verstummt. So inspirierend die Arbeiten von Günter Anders auch waren, trugen sie ihm doch den Ruf eines Apokalyptikers ein, der nicht bereit sei, sich dem unvermeidbar Neuen zu stellen.
Solange sich die nichtkünstliche Intelligenz noch in der Lage sieht zu handeln und zu denken, schreibt sie sich die Möglichkeiten subversiver Strategien zu oder besser noch: den Erhalt und Ausbau individueller Freiheit und Autonomie. Nicht immer kommt dieses Begehren auftrumpfend und vor Selbstbewusstsein strotzend daher.
Manchmal ist es eher bescheiden und hintersinnig, wie im Fall des Schriftstellers Botho Strauß, der in seinem Prosatext „Die Fehler des Kopisten“ aus dem Jahre 1997 bescheiden davon sprach, ein Schriftfortsetzer sein zu wollen, ein Kopist. Und wenn er beim Abschreiben einen Fehler mache, dann hoffe er, dass er wie die Natur funktioniere, die einen Evolutionssprung daraus mache. Botho Strauß setzte also darauf, dass wenigstens List und Tücke überdauerten, die der Gattung zuvor sehr oft zugutegekommen waren.
„KI darf den Menschen nicht ersetzen“
Darauf können und wollen sich die Mitglieder des Ethikrats nicht verlassen. In einer fast 300 Seiten starken Stellungnahme äußern sie sich zum gesellschaftlichen Umgang mit Künstlicher Intelligenz und geben Empfehlungen für deren Anwendung in Bereichen wie Medizin, Bildung, öffentlicher Kommunikation und öffentlicher Verwaltung.
Ihre Schlussfolgerung ist denkbar einfach: „Der Einsatz von KI muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht vermindern. KI darf den Menschen nicht ersetzen. Das sind grundlegende Regeln für die ethische Bewertung.“
Es wäre falsch, das als Binsenweisheit abzutun und den dazu betriebenen Aufwand infrage zu stellen. Im Detail wird in der Stellungnahme des Ethikrates ausgeführt, wo Gefahren lauern und wie die Aussichten auf Chancen verteilt sind.
So wird beispielsweise konstatiert, dass KI-Systeme auf der Basis vorhandener Daten lernen und dadurch womöglich auch vorhandene Festschreibungen und soziales Gefälle transportiert werden. Es sei sogar denkbar, „dass explizite Diskriminierungsabsichten in komplexen Systemen versteckt werden könnten“.




