Die Revolution stockt. An diesem Donnerstag diskutierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Klinikreform mit den Ressortkollegen der Länder. Jenes Vorhaben, das er zur Revolution erhob, soll sich erst bis zur Sommerpause konkretisieren. Es geht darum, Krankenhäuser finanziell zu entlasten. Falsche Anreize sollen künftig vermieden werden. Die stationäre Versorgung konzentriert sich auf große Einheiten wie Unikliniken, eingruppiert in einem Level 3. Um ihre Existenz bangen müssen kleine Häuser auf Level 1. Widerstände sind programmiert, obwohl starke Lobbygruppen dieses Ziel schon seit langem verfolgen.
Eine Klinikreform ohne tiefgreifende Einschnitte ist sinnlos. Nicht jeder Einschnitt ist allerdings sinnvoll. Zumindest nicht für alle am System Beteiligten. Die größte und wichtigste Gruppe stellen die Patienten. Für sie ist dieses System da, sie finanzieren es, als Steuerzahler, als Beitragszahler. Ob eine wie auch immer gestaltete Reform diesem Versorgungsauftrag bestmöglich gerecht wird, steht infrage. Selbst in Berlin, das als Stadtstaat vermeintlich günstigere Voraussetzungen erfüllt als Flächenländer wie Bayern.
Ein Beispiel: die Geburtshilfe, einer der Bereiche, in dem das bestehende System der Finanzierung mittels Fallpauschalen auch in der Hauptstadt immer wieder für Engpässe sorgt. Zur Debatte steht, dass zwar Häuser der mittleren Kategorie, Level 2, auch künftig Geburten übernehmen dürfen. Allerdings nur, wenn Stroke Units zur Behandlung von Schlaganfällen vorhanden sind. Das würde sogar Deutschlands größte Einzelklinik in der Geburtshilfe vor Probleme stellen, das St.-Joseph-Krankenhaus in Tempelhof.
Fantasie ist gefragt, um einen kausalen Zusammenhang zwischen der stationären Versorgung schwerer Verbrennungen und der Behandlung von Krebspatienten zu erkennen, den die Reformer zu sehen scheinen und deswegen von Level-3-Kliniken das eine verlangen, damit diese auch das andere anbieten können. Größere Klinikkomplexe erfüllen solche Voraussetzung. Deshalb hegen Kritiker den Verdacht, dass es darum geht, Budgets umzuverteilen.
Krankenhausreform: Deutschland braucht Antworten – schnell!
Cui bono? Wer profitiert? Das ist ja immer eine Streitfrage, wenn über Motive politischen Handelns spekuliert wird. In der Gesundheitspolitik kommt eine entscheidende Frage hinzu: Wer bezahlt wofür? Ist es sinnvoll, dass die Länder für die Investitionen in die Infrastruktur zuständig bleiben, da sie sich doch bisher angesichts knapper Etats an diese Verpflichtung kaum gebunden fühlten? Schaffen es die gesetzlichen Krankenkassen künftig, für die Behandlungen aufzukommen, da ihnen doch noch im vorigen Sommer für das Jahr 2025 ein Defizit von 33 Milliarden Euro prophezeit wurde?
Und an wen geht das Geld? Fließt es in Personaletats als Anreiz für dringend benötigte Fachkräfte? Oder in Dividenden, ausgeschüttet von privaten Konzernen, die sich nach der stationären Versorgung nun auch zunehmend dem ambulanten Sektor zuwenden? Verträgt sich Markt mit Daseinsvorsorge? Muss das Gesundheitswesen von Grund auf neu gedacht werden?


