Gastbeitrag

Exil-Autorin Stella Nyanzi: Gebt dem PEN Berlin eine Chance!

Die Dichterin und Anthropologin Stella Nyanzi aus Uganda lebt in Deutschland, unterstützt vom PEN. In ihrem Gastbeitrag fordert sie zu Koexistenz auf.

Die Autorin Stella Nyanzi
Die Autorin Stella Nyanzipicture alliance / REUTERS

Für mich ergibt sich kein Konflikt zwischen meiner Zugehörigkeit zu zwei konkurrierenden PEN-Organisationen in Deutschland. Ich bin Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm von PEN Deutschland. Und ich bin auch Gründungsmitglied des PEN Berlin.

PEN Berlin sehe ich als eine dringend notwendige Neugründung, die nach internen Konflikten, Differenzen und Zerwürfnissen innerhalb von PEN Deutschland entstanden ist. Anstatt die ungesunde Giftigkeit fortzusetzen, die nach Meinungsverschiedenheiten über Führungs- und Managementstil, unterschiedliche Positionen zum Russland-gegen-Ukraine-Krieg und die Differenzen über die Verteilung der Mittel für das Writers-in-Exile-Programm entbrannten, war es für die verfeindeten Fraktionen besser, sich zu trennen. Nach Deniz Yücels Rücktritt als Präsident verließen zahlreiche Mitglieder PEN Deutschland, weil sie die Notwendigkeit erkannten, sich von tradierten Ansichten und Praktiken zu distanzieren.

Die Autorin
Dr. Stella Nyanzi ist medizinische Anthropologin, Dichterin, Aktivistin für Frauenrechte und sexuelle Minderheiten sowie Oppositionspolitikerin in ihrem Heimatland Uganda. Wegen ihrer Texte, die Ugandas Präsident Yoweri Museveni kritisierten, wurde sie zweimal in einem Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert. Im Januar 2022 floh sie mit ihren drei Kindern nach Deutschland, wo sie als Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN Deutschland lebt. Sie ist Gründungsmitglied des PEN Berlin.

Sie haben ihre Mitgliedschaft im PEN Deutschland aufgekündigt, um sich neu zu formieren. Wo ist die Logik und die Gerechtigkeit, die Gründung einer neuen Vereinigung von Dichtern, Essayisten und Buchautoren, die Deutschland leben, aber keinen PEN-Club haben, mit dem sie sich identifizieren können, zu verhindern? Warum sollte die Registrierung einer neuen Vereinigung unter dem Dach von PEN International nicht möglich sein, wenn diese neue Vereinigung allen Prinzipien der PEN-Charta folgt? Deutschland hat genug Platz für zwei autonome PEN-Clubs, die auf friedvolle Weise nebeneinander bestehen können.

PEN Berlin muss die Freiheit haben, 1) sein unabhängiges Programm und seine eigene Zielsetzung zu entwickeln, 2) sich ebenfalls um  Ressourcen, einschließlich finanzieller Mittel, zu bewerben, 3) neue Mitglieder zu werben und zu gewinnen, 4) zeitgemäße Programme für den Schutz verfolgter Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus der ganzen Welt zu entwerfen und zu entwickeln und 5) eine Plattform für in Deutschland lebende Schriftsteller zu bieten, um sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen – insbesondere mit solchen, deren Bedürfnisse innerhalb des bestehenden PEN Deutschland nicht erfüllt werden.

Anstatt das neue Baby (PEN Berlin) zu erwürgen, bevor es überhaupt zu krabbeln beginnt, sollten alle wohlmeinenden Schriftsteller und vorausschauenden Autorenrechtler diesen neuen Verband unterstützen, damit er gedeihen kann. Ich stehe mit vollem Herzen hinter der Gründung von PEN Berlin, auch wenn ich Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN Deutschland bin.