Harmsens Welt

Die große Gender-Toiletten-Revolution: Bloß nicht die „Flinta“ ins Korn werfen!

Immer öfter findet man seltsame Klo-Definitionen. Wer genauer hinguckt, sieht, dass sie zutiefst unlogisch sind – und im Grunde nur nerven. Eine Kolumne.

Einfache Lösungen für alle Geschlechter wären möglich – allerdings nicht in Berlin-Kreuzberg
Einfache Lösungen für alle Geschlechter wären möglich – allerdings nicht in Berlin-KreuzbergPond5/Imago

Vor ein paar Tagen war ich bei einer Veranstaltung in Kreuzberg. In der Pause wollte ich schnell mal aufs Klo und hielt Ausschau nach den bekannten Symbolen. Nichts zu sehen, stattdessen Türen mit blauen Tafeln, auf denen längere Erklärungen standen.

Dies sei eine „Flinta-Toilette“, verkündete die eine Tafel, „eine Toilette für Frauen, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen und für Menschen, die nicht cis-männlich sind“. Leider fehlte an zweiter Stelle der Begriff „lesbische“, sodass es eigentlich „Finta-Toilette“ heißen müsste. Als Symbole sah man ein Sitzklo und ein Pinkelbecken – sorry: Urinal –, das allerdings dick durchgestrichen war. Auf dem anderen Schild stand: „Toiletten für alle Geschlechter“. Und es galten beide Symbole.

Wahnsinn!, dachte ich, und wollte gleich wieder wegrennen. Doch dann spürte ich, dass ich mir gleich in die Hose machte. Wohin durfte ich nun gehen, oder besser: wohin nicht? Zum Glück wusste ich schon: „cis-männlich“, das betrifft mich! Also durfte ich auf keinen Fall zu den „Flintas“ gehen. Auf das andere Klo schon, übrigens gemeinsam mit „allen Geschlechtern“. 

Runder Kinder-Mond mit verrutschter Perücke

Wer jetzt noch nicht verwirrt ist, dem möchte ich sagen, dass es mit dieser offenbar als bedrohlich empfundenen „Cis-Männlichkeit“ auch nicht so einfach ist. Die Definition dafür lautet: Man werde als Mann wahrgenommen und sehe sich auch selbst so. Doch als Teenie hatte ich zum Beispiel ein weiches, rundes Gesicht und einen Pilzkopf, bei dem der Pony sehr hoch geschnitten war (Danke, Mama!), sodass ich wie ein runder Kinder-Mond mit verrutschter Perücke aussah. „Wie heißt denn Ihre Tochter?“, fragten im Urlaub irgendwelche doofen Tanten meine Eltern.

Auf dem Flinta-Klo hätte mich damals garantiert niemand blöd angeguckt, obwohl ich im Innern schon „cis“ war. Heute dagegen sehe ich eher aus wie ein Mann. Doch ich könnte durchaus behaupten, dass ich mich nicht so fühle, und aufs Flinta-Klo gehen. Schließlich sind die Geschlechtsteile ja nur eine unverbindliche Empfehlung. „Mein Mann sollte eigentlich ein Mädchen werden und Kerstin heißen“, würde meine Frau vor dem Flinta-Gericht zu meiner Rettung aussagen. „Tief im Innern ist er eine Frau. Eigentlich wollte er auch unsere beiden Töchter austragen. Es hat aber nicht geklappt.“ Gefühlte Biologie gibt es leider nicht.

Schild an einer „Flinta-Toilette“ in einem Kreuzberger Veranstaltungszentrum
Schild an einer „Flinta-Toilette“ in einem Kreuzberger VeranstaltungszentrumTorsten Harmsen/Berliner Zeitung

Einfache Lösungen für alle Geschlechter wären möglich

„Jeh doch einfach ruff, wo de willst“, brummelt mein innerer Berliner genervt. „Flinta-pupinta oder nich. Du hast doch sowieso für allet ’ne Ausrede. Und sei doch froh, dasset übahaupt neue Klos jibt. Kannste dir noch an dit alte Klo-Häuschen am Bahnhof erinnern? Dit hat einen schon von weitem wegjehaun, vom Jeruch her. Drinnen hamse jestanden, an de lange Pinkelrinne, Mann neben Mann. Weeßte noch?

Stimmt, ich habe es gehasst. Großverrichtungsräume für Männer sind der Tiefpunkt der Klo-Kultur. Frauen wiederum hassen es, in der Theaterpause in langer Schlange vor dem Damenklo zu stehen, während Männer lässig locker an ihnen vorbeiziehen, zu ihren Urinalen.

Wie man hier ganz einfach Gerechtigkeit für alle herstellen könnte, habe ich gerade in Paris gesehen. In Restaurants steht an der bewussten Tür einfach nur „Toiletten“, und drinnen gibt es mehrere abschließbare Kabinen. Auf die können alle gehen, die mal müssen, egal welchen Geschlechts und welcher Orientierung. Aber das ist natürlich keine weltbewegende Gender-Klo-Revolution. Sondern nur langweilig vernünftig.