Eine zweite Frau hat dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen. Wie der britische Guardian berichtet, schildert sie, Khan habe sie 2009 während eines unbezahlten Praktikums in Den Haag mehrfach bedrängt, sie unsittlich berührt und versucht, sie zu sexuellen Handlungen zu überreden. Die Frau, im Artikel unter dem Namen „Patricia“ zitiert, sprach von einem „ständigen Trommelfeuer“ seiner Annäherungen.
Die damals in ihren 20ern befindliche Praktikantin habe sich nach eigenen Angaben in einer Zwangslage befunden: Sie habe die Kosten des Praktikums selbst getragen und sei auf eine positive Empfehlung Khans angewiesen gewesen. Beschwerden seien für sie keine Option gewesen. Erst nach Bekanntwerden ähnlicher Anschuldigungen einer heutigen IStGH-Mitarbeiterin habe sie sich entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Inzwischen habe sie ihre Aussagen auch gegenüber dem internen UN-Aufsichtsgremium OIOS gemacht, das die Vorwürfe prüft.
Karim Khan sieht sich als Zielscheibe einer gezielten Kampagne
Khan weist die Anschuldigungen entschieden zurück. Sein Anwaltsteam erklärte, er habe „niemals irgendeine Form sexuellen Fehlverhaltens begangen“ und keine seiner Mitarbeiterinnen misshandelt oder seine Stellung ausgenutzt. Er habe im Gegenteil Beweise vorgelegt, die die Vorwürfe widerlegten.
Die OIOS untersucht derzeit sowohl die neuen Vorwürfe als auch die bereits bekannten Anschuldigungen einer Anwältin, die seit 2023 in Khans Büro arbeitet. Sollte die Untersuchung schweres Fehlverhalten feststellen, könnte die Mitgliederversammlung des IStGH in geheimer Abstimmung über Khans Absetzung entscheiden – ein bislang beispielloser Schritt. Wegen den Vorwürfen sexueller Übergriffe lässt der Chefankläger sein Amt zur Zeit ruhen.
Khan, der 2021 zum Chefankläger gewählt wurde und unter anderem Haftbefehle gegen Russlands Präsident Wladimir Putin und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu beantragte, sieht sich als Zielscheibe einer gezielten Kampagne. Zwar habe es Versuche proisraelischer Akteure gegeben, über die Vorwürfe Informationen zu streuen, so der Guardian. Belege, dass die beiden Frauen Teil einer solchen Aktion seien, gebe es jedoch nicht.

