Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt, Vitali Klitschko, hat das Präsidialamt von Wolodymyr Selenskyj scharf kritisiert. In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der britischen Times erklärte er, die Arbeit des Kiewer Stadtrats sei durch „Razzien, Verhöre und Drohungen mit konstruierten Strafverfahren“ faktisch lahmgelegt worden. „Das ist eine Säuberung demokratischer Prinzipien und Institutionen unter dem Deckmantel des Krieges“, sagte er. „Ich habe einmal gesagt, dass es in unserem Land nach Autoritarismus riecht. Jetzt stinkt es danach.“
Die britische Tageszeitung beschreibt den offenen Machtkonflikt zwischen Selenskyj und Klitschko als einen „de-facto-Kriegszustand“ zwischen den beiden Politikern. Auslöser der Eskalation war eine großangelegte Operation der ukrainischen Antikorruptionsbehörde mit dem Namen „Saubere Stadt“, bei der laut Berichten sieben Mitarbeiter der Kiewer Stadtverwaltung verhaftet wurden. Die Ermittlungen richten sich gegen ein mutmaßliches kriminelles Netzwerk, das in Korruptionsfälle im Bereich Stadtentwicklung verwickelt sein soll.
Klitschko sieht sich gezielter Diskreditierung ausgesetzt
„Viele Bürgermeister sind eingeschüchtert, aber mein Prominentenstatus ist ein Schutz“, sagte Klitschko der Times. „Man kann den Bürgermeister von Tschernihiw entlassen, aber es ist sehr schwer, den Bürgermeister der Hauptstadt zu entlassen, den die ganze Welt kennt. Deshalb wird alles getan, um meinen Ruf zu diskreditieren und zu zerstören.“
Die Spannungen zwischen Präsident Selenskyj und Bürgermeister Klitschko bestehen schon länger – und reichen bis in die Zeit vor dem russischen Überfall auf die Ukraine zurück. Bereits damals hatte die ukrainische Regierung der Kiewer Stadtverwaltung Korruption vorgeworfen.

Im Januar 2025 veröffentlichte Klitschko einen offenen Brief an den Präsidenten. Darin kritisierte er den von Selenskyj ernannten neuen Leiter der Kiewer Militärverwaltung, Timur Tkatschenko, und warf ihm vor, seine Kompetenzen zu überschreiten. Klitschko appellierte an Selenskyj, „die Zerstörung der kommunalen Selbstverwaltung zu verhindern“. Laut Klitschko habe Tkatschenko unter anderem wichtige Entscheidungen der Stadtverwaltung blockiert.
Tkatschenko wies die Vorwürfe als „sehr seltsam“ zurück. Im Gespräch mit der Times warf er Klitschko vor, er habe es nicht geschafft, das Bordell „Tootsies“ zu schließen, das sich im Keller desselben Gebäudes befinde, in dem er lebt. Der Stripclub, der kürzlich im Zuge einer Ermittlung wegen Menschenhandels von den Behörden geschlossen worden war, befand sich neben einem Hotel- und Wohnkomplex, der Klitschko und seinem Bruder Wladimir gehören soll. Klitschko, der jegliche Verbindung zu dem Club bestreitet, wies die Vorwürfe entschieden zurück, sprach von einer „Lüge“ und einem Versuch, „Schmutz über ihn auszuschütten“.

