Extremismus

Verfassungsschutz: Zunehmende Anzahl an Linksextremisten taucht unter

Auch der Verlobte der verurteilten Lina E. gilt als untergetaucht. Der Chef des Verfassungsschutzes spricht von einer „Radikalisierungsspirale“.

Polizisten tragen vor Beginn der Urteilsverkündung gegen Lina E. und drei Männer vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden ein Absperrgitter entlang. Die mutmaßliche Linksextremistin wurde am Mittwoch verurteilt.
Polizisten tragen vor Beginn der Urteilsverkündung gegen Lina E. und drei Männer vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden ein Absperrgitter entlang. Die mutmaßliche Linksextremistin wurde am Mittwoch verurteilt.Robert Michael/dpa

Der Verfassungsschutz sieht bei einigen Linksextremisten aktuell ein hohes Radikalisierungsniveau und sinkende Hemmschwellen, wenn es um den Einsatz von Gewalt geht. „Besorgniserregend ist auch, dass eine zunehmende Anzahl gewalttätiger Linksextremisten versucht, sich der Strafverfolgung zu entziehen und möglicherweise untergetaucht ist“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Mittwoch nach der Urteilsverkündung im Strafverfahren des Oberlandesgerichts Dresden gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. und drei Mitangeklagte.

Verfassungsschutz sieht niedrige Hemmschwellen bei Linksextremisten

Der Chef des Inlandsgeheimdienstes fügte hinzu: „Die Schwelle zum Terrorismus sehen wir aktuell noch nicht überschritten, aber wenn sich die Radikalisierungsspirale weiterdreht und die Taten immer brutaler und hemmungsloser werden, dann rückt der Moment näher, in dem man auch von Linksterrorismus sprechen muss.“ Aus Sicht des Verfassungsschutzes zeigt die mutmaßliche Beteiligung von Linksextremisten aus dem Umfeld von Lina E. an Überfällen am Rande des rechtsextremen „Tag der Ehre“ in Budapest im vergangenen Februar, dass die Gruppe trotz des laufenden Strafprozesses „fortbesteht und nicht vor weiteren Angriffen zurückschreckt“.

Innerhalb der gewaltorientierten linksextremistischen Szene seien Hemmschwellen gefallen, „und man kann von Glück sagen, dass bisher noch kein Opfer zu Tode gekommen ist“, sagte Haldenwang. Aus übrigen Teilen der Szene sei kaum Widerspruch gegen die hemmungslose Gewalt zu hören. Der Kampf gegen Rechtsextremismus dürfe nicht in Gewalt und Selbstjustiz ausarten, mahnte der Behördenchef.

Gruppe um Lina E. soll Mitglieder der rechten Szene verprügelt haben

Das Oberlandesgericht Dresden verurteilte die Studentin Lina E. zu fünf Jahren und drei Monaten Haft. Nach Auffassung des Gerichts gehörte sie einer Gruppe an, die Überfälle auf Mitglieder der rechten Szene begangen hat. Ihre drei mitangeklagten Mitstreiter erhielten niedrigere Haftstrafen. Lennard A. erhielt drei Jahre Haft, Jannis R. zwei Jahre und fünf Monate Haft und Jonathan M. drei Jahre und drei Monate Haft. Der Verlobte von Lina E., der an der Tat in Budapest beteiligt gewesen sein soll, gilt als untergetaucht. 

Zwischen 2018 und 2020 soll die Gruppe um Lina E. Personen aus der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach zusammengeschlagen haben. In Berlin findet am späten Nachmittag eine Demonstration gegen das Urteil statt.