Krieg in Nahost

Trotz internationaler Kritik: Israel beschießt Stadt Rafah im Gazastreifen

Mehr als eine Million Palästinenser sollen in Rafah Zuflucht vor dem Krieg gesucht haben. Baerbock sagte, ein Angriff wäre nicht zu rechtfertigen. In der Nacht wurde die Stadt nun doch bombardiert. 

Rafah: Palästinenser suchen nach einem israelischen Angriff in den Trümmern nach ihren Habseligkeiten. 
Rafah: Palästinenser suchen nach einem israelischen Angriff in den Trümmern nach ihren Habseligkeiten. Mohammed Abed/AFP

Die israelische Armee hat am Samstag entgegen internationaler Kritik die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens beschossen. Eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP hörte kurz nach Mitternacht heftige Luftangriffe in der an Ägypten grenzenden Stadt, in der mehr als eine Million Palästinenser Zuflucht vor den Kämpfen in dem Küstengebiet gesucht haben. Augenzeugen gaben an, dass bei einem Luftangriff auf das Haus einer Familie zwölf Menschen getötet worden seien.

Außenministerin Annalena Baerbock hatte Israel einen Tag zuvor vor einer Militäroffensive im südlichsten Teil des Gazastreifens gewarnt. „Jetzt in Rafah, an dem letzten und überfülltesten Ort, vorzugehen, wie vom israelischen Verteidigungsminister angekündigt, wäre einfach nicht zu rechtfertigen“, sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Ein Großteil der Opfer sind Frauen und Kinder. Stellen wir uns einfach vor: Es wären unsere Kinder.“

Das israelische Militär werde auch die Hamas-Brigade in Rafah erreichen und zerschlagen, so wie derzeit mit den Hamas-Bataillonen im Gebiet der südlichen Stadt Chan Junis verfahren werde, hieß es. Tatsächlich wurde in der Nacht auf Samstag erneut Chan Junis angegriffen, auf die sich die israelische Offensive zuletzt konzentrierte. AFP-Journalisten berichteten von anhaltendem Panzerbeschuss und Luftangriffen. Nach Angaben Israels sollen sich dort hochrangige Anführer der Hamas versteckt halten. Die israelische Armee erklärte ihrerseits, im Norden und um Zentrum des Gazastreifens in den vergangenen 24 Stunden „dutzende Terroristen“ getötet zu haben.

UN: Rafah ist „ein Dampfkochtopf der Verzweiflung“

Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant hatte am Donnerstag angedeutet, Israel werde seinen Militäreinsatz im Gazastreifen auf Rafah ausweiten. Die Hamas-Einheiten in Rafah würden ebenso „aufgelöst“ werden wie in Chan Junis, sagte Gallant bei einem Besuch israelischer Soldaten.

Rafah sei „ein Dampfkochtopf der Verzweiflung und wir haben Angst vor dem, was als Nächstes kommt“, sagte der Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha), Jens Laerke, am Freitag. Nach WHO-Angaben beherbergt das einst rund 200.000 Einwohner zählende Rafah inzwischen mehr als die Hälfte der mehr als zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens.