Die mutmaßliche Verbrennung eines Weihnachtsbaums in Zentralsyrien hat am Dienstag nach Angaben eines Journalisten der Nachrichtenagentur AFP Demonstrationen in den christlichen Nachbarschaften von Damaskus ausgelöst. „Wir fordern die Rechte der Christen“, skandierten die Demonstrierenden bei ihrem Marsch durch die Straßen der Hauptstadt in Richtung des Sitzes des orthodoxen Patriarchats in Bab Tscharki. Einige von ihnen trugen Holzkreuze, andere hissten die syrische Unabhängigkeitsfahne mit drei Sternen, die von den neuen Machthabern in Damaskus übernommen wurde.
Es gebe „unter dem Deckmantel von Einzelfällen“ viel „Ungerechtigkeit gegen die Christen“, sagte ein Protestteilnehmer gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Wenn man uns nicht erlaubt, unseren christlichen Glauben in unserem Land zu leben, wie es früher der Fall war, dann haben wir hier keinen Platz mehr“, fuhr er fort.
Video in Onlinenetzwerken soll Christbaum-Verbrennung zeigen
Die Proteste wurden ausgelöst durch die Verbreitung eines Videos in den Onlinenetzwerken, auf dem zu sehen sein soll, wie Vermummte den Christbaum der mehrheitlich christlich-orthodoxen Stadt Sukailabija nahe Hama in Brand setzten.
In einem weiteren, in den Onlinenetzwerken stark verbreitetem Video ist ein religiöser Vertreter der HTS-Miliz zu sehen, der den örtlichen Bewohnern zusichert, dass die Täter keine Syrer seien und bestraft würden. „Der Baum wird bis morgen früh wieder aufgestellt und beleuchtet“, erklärte er an der Seite von Pfarrern und unter den Rufen der Bewohner.
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— Elsiyasa | السياسة (@elsiyasa) December 24, 2024
Eine Person sei festgenommen worden, hieß es aus Kreisen der örtlichen Sicherheitsbehörden. Es würden keine Beleidigungen irgendeines Teils des syrischen Volkes geduldet. HTS-Anführer Mohammed al-Dscholani, der inzwischen unter seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa auftritt, hatte erklärt, dass die syrische Übergangsregierung alle Syrer, auch Minderheiten, sowie die staatlichen Institutionen schützen werde.
Assad-Gegner unter Führung der HTS-Miliz hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft von Machthaber Baschar al-Assad in Syrien beendet. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen werden, floh nach Russland.
Christen in Syrien haben Angst
Mit der Machtübernahme fürchteten Christen und andere Minderheiten Repressionen.„Wir haben das Recht, Angst zu haben“, sagte Priester Andrew Bahi der Deutschen Presse-Agentur in Damaskus. Die Atmosphäre bleibe weiterhin zweideutig. Die Aussagen der neuen Führung seien jedoch beruhigend. Ahmed al-Scharaa hatte nach Assads Sturz wiederholt betont, alle Volksgruppen in dem gespaltenen Land müssten respektiert und berücksichtigt werden.
Ein christlicher Bewohner von Damaskus sagte, bisher habe es keine Beleidigungen oder Auseinandersetzungen mit der von den Rebellen gebildeten Übergangsregierung gegeben. „Wir haben die Geschäfte und Häuser nicht so dekoriert, wie wir es gewohnt sind, obwohl uns niemand davon abgehalten hat“, sagte er. Auf Social Media kursierten aber Berichte, die ihm Angst machten.
EKD: Stimmung bei Christen in Syrien ist „ambivalent“
Die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, sieht die Christen in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes vor einer schwierigen Situation. „Viele fragen sich: Wie islamistisch geprägt wird die neue Verfassung, und was ist künftig mit Menschenrechten, Religionsfreiheit oder Frauenrechten?“, sagte Bosse-Huber der Frankfurter Rundschau: „Die Stimmung bei den Christen ist ambivalent.“
„Wir sind den syrischen Christinnen und Christen immer eng verbunden gewesen“, fügte Bosse-Huber hinzu: „In der Region um Syrien ist das Christentum entstanden und hat sich dann in alle Welt verbreitet.“ Selbst Protestanten, „die in dieser Hinsicht eher nüchtern sind, sehen dort heilige Orte, die die syrisch-orthodoxen Christen für uns all die Jahre bewahrt haben“. (mit epd)

