Es war recht frisch am Donnerstagmorgen vor dem Kurt-Schumacher-Haus in Wedding, der Zentrale der Berliner SPD. Dennoch hatten sich fünf Vertreter der Initiative für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen an der Straßenecke aufgebaut. Als um kurz vor 10 Uhr die SPD-Delegation für die Sondierungsgespräche an der Müllerstraße eintraf, skandierten die fünf: „Volksentscheid umsetzen!“ Ton und Thema für das zweite Treffen der bisherigen rot-grün-roten Koalitionäre waren also gesetzt.
Mehr als sieben Stunden später verließ als erstes die Linken-Delegation das Kurt-Schumacher-Haus. „Wir haben intensiv diskutiert“, berichtete Parteichefin Katina Schubert. Dabei sei es vor allem um die Themen Wohnen, Klima und die Fragen des gemeinsamen Regierens gegangen. Insbesondere letzteres, da waren sich alle einig, sei in den vergangenen Wochen und Monaten zu kurz gekommen.
Regierungskoalition denkt „intensiv darüber nach“, ob sie es noch einmal miteinander versucht
Mobilitätssenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach anschließend von einem „intensiven Nachdenken“. Themen seien nachzujustieren oder wahlweise abzuarbeiten, insbesondere bei Klimaschutz und Wohnen seien noch Fragen offen. Vor allem aber müsse geklärt werden, wie man für die verbleibenden dreieinhalb Jahre miteinander umgehen wolle, wenn man denn weitermachen wolle.
Die Regierende Bürgermeisterin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey sprach von „ergebnisoffenen Sondierungen“. Der große Wurf waren die Gespräche erkennbar nicht. SPD-Chef Raed Saleh erinnerte daran, was beim nächsten Termin am kommenden Montag anstehe: Mobilität und Innere Sicherheit – „zwei Themen, bei denen wir sagen, dass sich etwas ändern muss“.
Die Enteignungsfrage ist und bleibt ein Knackpunkt der Berliner Koalition
Einen kleinen Ausblick auf die Stimmung unter Rot-Grün-Rot hatte vor Beginn Linken-Chefin Katina Schubert via RBB abgegeben: Kein Senat komme an der Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen vorbei. Der Volksentscheid fordere die Landesregierung dazu auf, einen Gesetzentwurf dafür vorzulegen. Schubert: „An diesen Volksentscheid sind alle Senate gebunden, egal welcher Färbung.“ Dann wurde sie ein wenig gönnerhaft: Man könne natürlich sagen, „das machen wir einfach nicht“. Um gleich nachzusetzen: „Das wäre allerdings ein großer Schaden für die Prinzipien der direkten Demokratie.“
Die Enteignungsfrage ist eine der großen ungeklärten Fragen für jede nur denkbare Koalition. So hat sich etwa die aus der Wahl extrem geschwächt hervorgegangene Franziska Giffey vielfach offen gegen eine Enteignung ausgesprochen. Katina Schubert weiß das natürlich, will aber die Hoffnung – auf was eigentlich? einen Sinneswandel bei Giffey? einen personellen Wechsel in der SPD? – nicht aufgeben. „Ich gehe davon aus, dass man sich in Sondierungsgesprächen auch aufeinander zubewegt.“






