Führt das Interesse Donald Trumps an einer Übernahme Grönlands durch die USA zu einem Zusammenrücken in Europa? Wie der dänische Europaabgeordnete Morten Løkkegaard angesichts der Drohungen des US-Präsidenten vorschlug, sollte Grönland erwägen, der Europäischen Union aus „Schutzgründen“ beizutreten. Løkkegaard sagte zwar, dass die Zukunft Grönlands letztlich von den Grönländern entschieden werde, argumentierte aber, dass es Zeit für „eine Art neues Denken“ sei.
Das Nachrichtenportal Politico zitiert Løkkegaard mit den Worten: „Wir leben in einer Welt, in der man, egal wie unabhängig man sein möchte, Mitglied von Allianzen sein muss … Und meiner Meinung nach ist die EU die beste Allianz, der man beitreten kann. Das gilt für Dänemark, das gilt für Grönland.“ Ein Teil der EU zu sein, würde Grönland „Schutz“ garantieren, betonte Løkkegaard, der aus der Renew-Fraktion im Europäischen Parlament stammt. „In einer gemeinsamen Gesellschaft ist man wirtschaftlich und politisch abgesichert.“
Grönland, ein selbst regiertes dänisches Territorium, stimmte 1982 in einem Referendum für den Austritt aus den Europäischen Gemeinschaften – einem Vorläufer der EU, und verließ den Block 1985 formell – obwohl die meisten seiner knapp 60.000 Einwohner Dänen und damit immer noch EU-Bürger sind.
Løkkegaard: „Situation hat sich seit 1985 dramatisch verändert“
„Die Situation hat sich seit 1985 eindeutig dramatisch verändert. Wir haben jetzt eine völlig andere geopolitische Lage“, sagte Løkkegaard gegenüber Politico, wo er als Teil einer Delegation gerade zu Besuch in Grönland ist. Die fünfköpfige Gruppe werde laut eigenen Aussagen den grönländischen Premierminister Múte Bourup Egede und den Vorsitzenden des grönländischen Parlaments treffen. Außerdem will sie wichtige Infrastruktureinrichtungen in der Hauptstadt Nuuk sowie führende Unternehmen besuchen. Im Vorfeld der Mission veröffentlichten die Abgeordneten von Renew Europe eine Erklärung, in der sie ihre Unterstützung für eine europäische Zukunft sowohl für Grönland als auch für Island bekräftigten.
Die Abgeordneten teilten mit: „Renew Europe betrachtet sowohl Island als auch Grönland aufgrund ihrer Geschichte, Kultur, Handelsbeziehungen und Modelle des sozialen Schutzes und der Gerechtigkeit als Teil Europas. Die EU muss sich weiterhin mit Island und Grönland auf politischer Ebene engagieren, die die Herausforderungen und Chancen der Arktis angehen, einschließlich aller Aspekte der Sicherheitsbedenken, im Interesse aller“.
Dänemark entwirft Sicherheitsplan für die Arktis
Tatsächlich wurden erste Schritte zum Schutz der Region eingeleitet. Wie die Regierung in Kopenhagen am Montag mitteilte, werde Dänemark die Sicherheit in der strategischen Arktisregion nahe den Vereinigten Staaten und Russland erheblich stärken. Dafür sollen 14,6 Milliarden Kronen (zwei Milliarden Dollar) investiert werden, berichtete unter anderem die Nachrichtenagentur AFP.
Die dänische Regierung versucht zudem den schwierigen diplomatischen Drahtseilakt, Trumps Begehrlichkeiten zurückzuweisen, ohne den wichtigsten Verbündeten und Handelspartner des Landes vor den Kopf zu stoßen. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen besuchte Olaf Scholz in Berlin, Emmanuel Macron in Paris und Nato-Chef Mark Rutte in Brüssel, wo sie um Unterstützung warb.
Was wollen eigentlich die Grönländer?
Erst am vergangenen Wochenende hatte Trump erneut seine Annexionspläne für Grönland bekräftigt. In den vergangenen Wochen hatte er mehrfach erklärt, das halbautonome Gebiet übernehmen zu wollen – und militärische Schritte dabei nicht ausgeschlossen. Die USA brauchen das Gebiet laut Trump für ihre „nationale Sicherheit“. Die Bewohner Grönlands wollen zu den USA gehören, sagte Trump – und widersprach damit dem grönländischen Behördenchef Egede und einer neuen Umfrage im Land.
Konkret zeigen die Ergebnisse der jüngsten Meinungsumfrage, dass 85 Prozent der Grönländer nicht wollen, dass ihre Insel ein Teil der USA wird. Nur sechs Prozent der Befragten sprachen sich für einen Beitritt zu den USA aus, neun Prozent waren unentschlossen. Die Ergebnisse beruhen auf Befragungen von nur 497 Menschen in Grönland. Die Ergebnisse der dänischen Erhebung stehen im Widerspruch zu einer vor zwei Wochen vom umstrittenen amerikanischen Meinungsforschungsinstitut Patriot Polling durchgeführten Umfrage. Laut dieser, befürworten 57,3 Prozent der Befragten einen Beitritt Grönlands zu den USA und nur 37,4 Prozent lehnen einen möglichen Beitritt ab.
Dänische Minister: Trumps Grönland-Interesse ist ein Weckruf für Europa
Zwei führende Minister der dänischen Regierung können Trumps Androhungen sogar etwas Positives abgewinnen. Trump sende ein sehr deutliches Signal an Europa, dass die Zeit vorbei sei, in der man sich darauf verlassen könne, dass die USA die sicherheitspolitische Rechnung bezahlen, sagte Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen der Zeitung Politiken.
„Diesen Weckruf halte ich in vielerlei Hinsicht für befreiend“, sagte er. „Denn jetzt bekommen wir eine Diskussion über Europas Verteidigungswillen, nicht bloß darüber, inwieweit wir glauben, dass die Amerikaner weiterhin für unsere Sicherheit sorgen werden.“

